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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Kiste,
die man mir gegen meinen Willen aufgezwungen hatte. Und doch hatte
Daniels Sohn keinen einzigen Laut der Neugier oder des Protestes von
sich gegeben. Er schlief an mich geschmiegt, als sei ich seine Mutter,
und wenn er wach war, saß er auf meinem Schoß oder zu meinen Füßen;
wenn er stand, hielt er sich mit seinen Fäustchen eisern an meiner Hose
fest. Er sagte kein Wort, weder auf Französisch, seiner Muttersprache,
noch auf Englisch. Er beobachtete mich mit seinen ernsten, dunklen
Augen, sagte aber kein Wort.
    Er schien überzeugt zu sein, dass er zu mir gehörte. Ohne mich
wollte er nicht einschlafen, und wenn ich ihn absetzte und mich ein
paar Schritte entfernte, mühte er sich auf die Beine und wackelte
hinter mir her, immer noch still, immer noch ohne Klage, aber sein
kleines Gesicht verzog sich in stummem Weinen, je größer die Entfernung
wurde.
    Ich war keine von Natur aus mütterliche Frau. Für Puppen hatte
ich nie etwas übrig gehabt, und natürlich hatte ich auch kein kleines
Geschwister, das ich hätte umsorgen können. Daher konnte ich nicht
umhin, die Hartnäckigkeit dieses kleinen Burschen zu bewundern.
Unvermittelt war ich als eine Art Beschützerin in sein Leben getreten,
und nun sorgte er dafür, dass ich ihm erhalten blieb. Allmählich gefiel
es mir, wie er vertrauensvoll seine kleine, dicke Hand nach oben
streckte, und ich genoss es, dass er mit mir im selben Bett schlief.
    Lady Amy Dudley tat nichts, um uns die lange, kalte Reise zu
erleichtern, sie hatte indes auch keinerlei Grund dazu. Sie hätte
jedoch die Freundlichkeit besitzen können, einen ihrer Diener
anzuweisen, mich hinter sich auf ein Reitkissen zu nehmen, sodass ich
das Kind in den Armen halten und meinen schmerzenden Rücken hätte
schonen können. Es musste ihr doch auffallen, dass ich am Ende eines
langen Tages im Sattel zum Umfallen müde war. Sie hätte darauf bestehen
können, dass ich als Erste untergebracht wurde oder dass etwas Brei für
das Baby bereitstand. Doch sie erwies weder mir noch dem Kleinen
irgendeine Wohltat, sondern betrachtete uns lediglich mit Argwohn in
den Augen und sprach kein Wort zu mir – außer der Anweisung,
wann ich reisefertig zu sein hatte.
    Da auch ich wenig Erfahrung mit dem Muttersein hatte, rief ich
mir wieder in Erinnerung, dass Amy Dudley ja unfruchtbar war.
Vermutlich verdächtigte sie ihren Ehemann, der Vater des Kindes zu
sein, und wollte uns beide auf diese Weise bestrafen. Ich beschloss,
ihr bald deutlich zu sagen, dass ich seine Lordschaft seit Jahren nicht
mehr gesehen hatte und überdies in der Zwischenzeit geheiratet hatte.
Doch Amy Dudley gab mir keine Gelegenheit zu einem Gespräch, sie
behandelte mich wie ihre Bediensteten, wie einen Teil der kalten
Landschaft, wie einen der eisbedeckten Bäume. Sie schenkte mir
überhaupt keine Beachtung.
    Während wir in Richtung Südwesten über die vereisten Straßen
ritten, hatte ich reichlich Zeit zum Nachdenken. Auch die Umgebung war
nicht dazu angetan, einen fröhlicher zu stimmen. Wenn wir durch Dörfer
und über Felder ritten, sahen wir, wie sehr der Hunger das Land in
seinen Fängen hielt. Die Tore der Scheuern standen offen, denn es gab
weder Heu noch Stroh zu lagern. Die Dörfer waren oft dunkel, die Hütten
leer. Einige kleine Sprengel waren völlig verlassen, denn die Bewohner
hatten es aufgegeben, bei ständig schlechtem Wetter ihre Felder zu
bebauen.
    Ich ritt über die leeren Straßen, den Blick auf dieses so
karge, so verfluchte Land gerichtet – doch meine Gedanken
waren bei meinem Mann und der Stadt, die ich hinter mir gelassen hatte.
Nun, da meine Flucht erfolgreich beendet und ich in einem
vergleichsweise sicheren Hafen gelandet war, verging ich vor Angst um
Daniel. Nun hatte ich Zeit, mir bewusst zu machen, dass wir einander
wieder einmal verloren hatten – und uns vielleicht nie mehr
wiedersehen würden. Vielleicht war er gar nicht mehr am Leben. Wir
hatten uns während einer erbitterten Schlacht aus den Augen verloren
und lebten nun in verfeindeten Ländern, konnten nichts voneinander
hören. Vielleicht war Daniel schon beim ersten heimtückischen Einfall
der Franzosen in die Stadt ums Leben gekommen, oder er hatte sich eine
der vielen ansteckenden Krankheiten eingefangen, die mit dem Krieg und
den Verwundeten einhergehen. Ich wusste, zuerst würde er an seine
Pflicht denken und den Verwundeten und den Kranken helfen. Und ich
konnte nur beten, dass die Franzosen einem feindlichen Arzt Gnade
gewähren

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