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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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wie eine gewaltige Woge hinter Lord Roberts Trupp
hergerauscht. Doch Daniels Geliebte lag, von zwei großen Lanzen
durchbohrt, in einer Lache ihres Blutes.
    Bei ihrem Anblick drückte ich das Kind noch enger an mich und
rannte die Straße hinunter, fort vom Tor, die Treppen hinunter zum
Hafen, und meine Füße hämmerten den Rhythmus meiner Angst. Ich hatte
keine Zeit, Daniel zu suchen, ich konnte nur die Gelegenheit ergreifen,
die mir Lord Roberts Ring bot. Wie eine von allen Häschern gejagte
Verbrecherin floh ich zum Hafen und sah viele, die dasselbe Ziel
hatten, manche trugen Bündel mit ihren Habseligkeiten, andere ihre
Kinder. Verzweifelt versuchten die Menschen, aus der Stadt zu fliehen,
bevor die Franzosen ihre Pferde wendeten und zurückkamen.
    Alle Schiffe waren mit einem einzigen Tau festgemacht, die
Segel so gerefft, dass sie im Handumdrehen heruntergelassen werden
konnten. Ich sah mich nach Lord Roberts Standarte um und entdeckte sie
an der besten Stelle, am ersten Anlegeplatz des Piers, der das
schnellstmögliche Fortkommen versprach. Ich rannte den Pier entlang,
meine Füße hämmerten auf den hölzernen Planken, und kam rutschend zum
Stehen, weil ein Matrose vom Schiff sprang und sich vor der Laufplanke
aufbaute. Sein kurzer, schimmernder Säbel war genau auf meine Kehle
gerichtet. »Nicht weiter, Bursche!«, drohte er.
    »Lord Robert schickt mich!«, keuchte ich.
    Er schüttelte den Kopf. »Das kann ja jeder behaupten. Was
geschieht dort in der Stadt?«
    »Lord Robert hat mit seinen Soldaten einen Ausfall gegen die
Franzosen gemacht, aber die sind bereits in der Stadt, vielleicht
fallen sie ihm in den Rücken!«
    »Kann er sich ihnen entgegenstellen?«
    »Das weiß ich nicht. Ich habe nichts gesehen.«
    Er rief einen Befehl zum Schiff. Die Männer an Deck nahmen
neben den Segeltauen Aufstellung, zwei sprangen an Land und hielten das
Tau abfahrtbereit in der Hand.
    Ich streckte meine Hand aus, um ihm den Ring zu zeigen, der
über meinem Ehering saß.
    Der Matrose schaute einmal kurz hin, dann noch einmal,
prüfend. »Sein Ring«, stellte er fest.
    »Ja, das ist sein Ring. Er selbst hat ihn mir gegeben. Wir
haben uns kurz vor dem Ausfall gesehen. Ich bin seine Vasallin. Ich war
Hannah die Hofnärrin, bevor ich nach Calais ging.«
    Der Matrose trat einen Schritt zurück und bedachte mich mit
einem durchdringenden Blick. »Ich hätte dich nicht erkannt«, bekannte
er. »Und wer ist das Kind? Dein Sohn?«
    »Ja.« Die Lüge war heraus, bevor ich recht überlegt hatte, und
dann wollte ich sie nicht zurücknehmen. »Lasst mich an Bord. Es ist der
Befehl meines Lords, dass ich nach England zurückkehre.«
    Er trat einen Schritt zur Seite, forderte mich mit einem
Nicken zur Überquerung der schmalen Laufplanke auf und nahm dann wieder
seinen Platz auf dem Pier ein. »Aber du bist die Letzte«, sagte er
entschieden. »Und wenn sie mit einer Haarlocke von ihm oder einer
Liebesschleife ankommen!«
    Wir warteten eine lange, bange Stunde, in der viele Menschen
aus der Stadt in den Hafen strömten. Der Matrose musste andere Männer
um Hilfe bitten, damit sie die Flüchtlinge von Lord Roberts Schiff
fernhielten, während er sie Feiglinge schimpfte. Der Winternachmittag
dauerte an, es wurde dunkel, und niemand vermochte zu sagen, ob Lord
Robert die feindlichen Linien durchbrochen hatte oder ob die Franzosen
ihm in den Rücken gefallen waren und ihn geschlagen hatten. Doch dann
sahen wir die Stadt von einem Ende zum anderen in Flammen aufgehen,
denn die französische Armee war durch die Mauern gebrochen und feuerte
nun auf die strohgedeckten Häuser.
    Der wachhabende Matrose an der Laufplanke bellte Befehle, und
die Mannschaft machte das Schiff zum Ablegen bereit. Ich saß ganz still
an Deck und wiegte das Kind an meiner Schulter. Ich fürchtete, wenn es
schrie, würden die Männer beschließen, dass sie nicht das Risiko eines
zusätzlichen Passagiers auf sich nehmen wollten, zumal wenn Lord Robert
nicht kam.
    Dann stürmte ein Reitertrupp zum Kai hinab und kam jäh zum
Stehen. Wie rasend sprangen die Männer aus den Sätteln, entledigten
sich ihrer Waffen und sausten zu den wartenden Schiffen.
    »Langsam, Jungs, langsam«, mahnte die gewaltige Stimme des
wachhabenden Matrosen an der Laufplanke. Sechs Männer standen hinter
ihm, Schulter an Schulter, die blanken Waffen gezückt. Sie fragten
jeden, der an Bord wollte, nach dem Passwort und wiesen nicht wenige
ab, die sogleich den Pier entlangliefen auf der Suche nach

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