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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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würden.
    Der französischen Armee würde die französische katholische
Kirche folgen, und diese würde in einer Stadt, die einst stolz auf
ihren Protestantismus gewesen war, sogleich die Häresie wittern. Sollte
Daniel dem Tod während der Schlacht entkommen sein und sich auch keine
tödliche Krankheit geholt haben, so drohte ihm immer noch die
Verhaftung als Ketzer, sobald er als heimlicher Jude enttarnt war.
    Ich wusste, dass mein Kopfzerbrechen niemandem half, weder ihm
noch mir, doch ich konnte nicht aufhören, mir Sorgen zu machen. Es war
unmöglich, einen Brief nach Calais zu schicken, bevor ein vorläufiger
Friede geschlossen war, und das konnte noch Monate dauern. Und von
Daniel war auch keine Nachricht zu erwarten, denn woher sollte er
wissen, wo ich abgeblieben war, ja, ob ich überhaupt noch lebte? Falls
er mein Geschäft an der Stadtmauer aufsuchte – was er sicher
tun würde –, würde er es in Trümmern oder ausgebrannt
vorfinden, und nicht einmal Marie – angenommen, sie hatte
überlebt – würde ihm sagen können, was aus mir geworden war.
Und dann würde er hören, dass die Mutter des kleinen Daniel getötet
worden war und dass das Kind ebenfalls vermisst wurde. Wie sollte er
auf den Gedanken kommen, dass sein Sohn und ich zusammen wohlbehalten
in England waren? Er musste doch annehmen, dass er Ehefrau und Kind in
diesem schrecklichen Krieg verloren hatte.
    Ich konnte meine Sicherheit nicht genießen, wenn Daniel immer
noch in Gefahr schwebte, für mich konnte es kein Glück geben, wenn ich
nichts über seinen Verbleib erfuhr. Ich konnte mich weder in England
noch sonst wo häuslich niederlassen, bevor ich nicht wusste, ob es
Daniel gutging. Ich ritt über die eisigen Wege, das schwere Kind auf
meinen Rücken gebunden, und begann mich über dieses nagende Unbehagen
zu wundern. Und dann plötzlich – es war wohl in
Kent – traf mich die einfache Erkenntnis wie ein Blitz der
blendenden Wintersonne, die tief über dem Horizont stand: Ich würde
erst dann Ruhe finden, wenn ich wusste, wie es um Daniel stand, weil
ich ihn liebte. Wahrscheinlich hatte ich ihn von dem Moment an geliebt,
als ich ihn vor dem Tor von Schloss Whitehall sah, damals, als wir nur
gestritten hatten. Ich liebte seine Standhaftigkeit und Redlichkeit und
Geduld, die er mir seither gezeigt hatte. Ich hatte das Gefühl, als
würde ich ihn schon von Kindesbeinen an kennen. Er hatte erlebt, wie
ich dem König als Hofnärrin übereignet worden war, wie ich der Königin
gedient hatte und hernach in den Bann von Prinzessin Elisabeth geraten
war. Er hatte meine Schulmädchenschwärmerei für meinen ersten Gebieter
miterlebt und die Kämpfe, die ich mit mir selbst auszufechten hatte, um
zu einer Frau heranzureifen. Das Einzige, das er nicht miterlebt, das
Einzige, das ich ihm nie gezeigt hatte, war das Ergebnis dieses inneren
Kampfes gewesen – der Augenblick, in dem ich vor mir selbst
zugeben konnte: »Ja, ich bin eine Frau, und ich liebe diesen Mann.«
    Alle Ereignisse in Calais verblassten vor dieser schlichten
Tatsache: die ständige Einmischung seiner Mutter, die Bosheit seiner
Schwestern und seine unschuldige, dumme Überzeugung, wir alle könnten
friedlich unter einem Dach zusammenleben. Nichts davon hatte mehr
Bedeutung außer der Überzeugung, dass ich ihn liebte und nun zugeben
musste, dass es vielleicht zu spät war, um es ihm zu sagen. Denn er
konnte bereits tot sein.
    Wenn er tot war, so verblasste auch die Tatsache, dass er bei
einer anderen Frau gelegen hatte – der größere Verlust löschte
den geringeren Betrug aus. Während des langen, eisigen Rittes erkannte
ich, dass ich in der Tat eine Witwe war, wie ich ja gesagt hatte. Ich
hatte Daniel verloren, und erst jetzt konnte ich mir eingestehen, dass
ich ihn die ganze Zeit über geliebt hatte.
    Wir sollten in einem Herrenhaus nördlich von
Chichester unterkommen. Ich war froh, dass wir bereits um die
Mittagszeit dort anlangten. Erschöpft, aber gleichzeitig besorgt stieg
ich hinter Lady Dudley die Treppe hinan in die große Halle, denn ich
kannte diese Leute nicht, und nur aufgrund der Gnade ihrer Ladyschaft
hier zu weilen, hätte keiner Frau gefallen. Ich war ein zu unabhängiger
Charakter, und sie war zu kühl und distanziert, als dass man sich in
ihrer Gesellschaft hätte wohl fühlen können.
    Lady Dudley schritt voraus in die große Halle, und ich folgte
Mrs. Oddingsell mit Danny, der rittlings auf meiner Hüfte saß. Unsere
Gastgeberin, Lady Philips,

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