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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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erwiderte ich.
    »Du hast keine … Nachricht von ihm?«, fragte John Dee
mit gesenkter Stimme.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Dr. Dee, Hannah wird Euch Euer Gemach zeigen«, schnitt Amy
unser Gespräch ab. Sie behandelte mich wie eine Dienstmagd.
    Ich führte John Dee zu einer der kleinen Kammern im ersten
Stock. Hinter uns nahm Lord Robert zwei Stufen auf einmal, und wir
hörten die Tür zu seinem Zimmer zuschlagen.
    Kaum hatte ich John Dee Bettstelle und Schrank gezeigt und
heißes Wasser zum Waschen in eine Schüssel gegossen, als die Kammertür
aufging und Lord Robert hereinkam.
    »Nein, Hannah, bleib«, bat er. »Ich will hören, wie es dir
ergangen ist.«
    »Da gibt es nicht viel zu berichten«, erwiderte ich kühl. »Ich
war die ganze Zeit hier, wie Ihr wisst, in Gesellschaft Eurer Frau, und
habe überhaupt nichts getan.«
    Er lachte kurz auf. »Hast du dich gelangweilt, holder Knabe?
Es wird doch wohl nicht schlimmer gewesen sein als das Eheleben, oder?«
    Ich musste lächeln. Lord Robert würde ich ganz gewiss nicht
auf die Nase binden, dass ich meinen Ehemann schon im ersten Jahr
unserer Ehe verlassen hatte.
    »Und du hast deine Gabe behalten?«, fragte Mr. Dee. »Ich
dachte immer, die Engel offenbarten sich nur einer Jungfrau.«
    Ich bewahrte vorsichtiges Schweigen. Ich konnte nicht
vergessen, unter welchen Umständen ich John Dee das letzte Mal gesehen
hatte. Ich sah wieder die Frau vor mir, die ihre verwundeten Finger in
ihrem Schoß barg. Ich erinnerte mich an den Uringestank in dem kleinen
Zimmer und an die beschämende Wärme in meiner Hose. »Ich weiß es nicht,
Sir«, erwiderte ich langsam.
    Robert Dudley hörte mir die Befangenheit an der Stimme an und
schaute rasch von mir zu seinem Freund. »Was ist los?«, fragte er in
scharfem Ton. »Was geht hier vor?«
    Dr. Dee und ich wechselten einen seltsamen, komplizenhaften
Blick: den Blick zwischen einem Geheiminquisitor und seinem nicht
geständigen Opfer, ein Blick des geteilten Schreckens. Er schwieg.
    »Nichts«, sagte ich.
    »Seltsames Nichts«, bemerkte Lord Robert in schärferem Ton.
»Sagt Ihr es, John.«
    »Sie ist vor Bonners Tribunal gestellt worden«, erklärte John
Dee kurz. »Vorwurf der Häresie. Ich war dabei. Die Anklage wurde
abgewiesen, Hannah wieder freigelassen.«
    »Meine Güte, du musst dir ja vor Angst in die Hosen gemacht
haben, Hannah!«, rief Robert aus.
    Er hatte es so genau getroffen, dass mir vor Scham die Wangen
brannten. Schutzsuchend drückte ich Daniels Sohn an mich.
    John Dee warf mir einen schuldbewussten Blick zu. »Wir alle
hatten Angst«, bekannte er. »Doch in dieser Welt müssen wir manchmal
auch das tun, was uns nicht gefällt, Robert. Wir müssen das Beste
daraus machen. Manchmal tragen wir Masken, manchmal können wir wir
selbst sein, manchmal sind die Masken ehrlicher als die Gesichter.
Hannah hat niemanden verraten und war ganz eindeutig unschuldig. Sie
wurde freigelassen. Das ist alles.«
    Lord Robert beugte sich vor und schüttelte Bischof Bonners
schärfstem Bluthund die Hand. »Das ist alles – in der Tat. Es
wäre fatal gewesen, hätte man sie aufs Streckbrett gebunden, denn sie
weiß zu viel – viel zu viel. Ich bin froh, dass Ihr dort wart.«
    John Dee blieb ganz gelassen. »Niemand wäre dorthin gegangen,
wenn er die Wahl gehabt hätte«, entgegnete er. »Es gab Unschuldigere
als Hannah, die dennoch gefoltert und verbrannt worden sind.«
    Ich schaute von einem Mann zum anderen und fragte mich, wem
sie in Wirklichkeit ergeben waren. Zumindest wusste ich nun genug, um
keine Fragen zu stellen und keiner Antwort zu trauen.
    Lord Robert wandte sich wieder an mich. »Also hast du die Gabe
noch, obwohl du deine Jungfräulichkeit verloren hast?«
    »Sie tritt so selten auf, dass ich es kaum zu sagen weiß. Doch
in Calais hatte ich eine Vision: Ich sah die französische Kavallerie
durch die Straßen reiten.« Bei der Erinnerung musste ich die Augen
schließen.
    »Du hast den Einfall der Franzosen vorausgesehen?«, fragte
Lord Robert ungläubig. »Meine Güte, warum hast du mich denn nicht
gewarnt?«
    »Das hätte ich ja, wenn ich gewusst hätte, worum es sich
handelte«, erwiderte ich. »Bitte zweifelt nicht an mir, Sir. Ich wäre
sofort zu Euch gekommen, wenn ich die Bedeutung der Vision verstanden
hätte. Doch es war alles so verworren. Da war eine Frau auf der Flucht
vor den Reitern. Sie wurde von ihren Lanzen durchbohrt und sie
schrie …« Ich verstummte. Nicht einmal diesen beiden hätte

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