Die Hofnärrin
und kam zurück. »Komm.« Er streckte mir die Hand
hin. »Ich bin hier der Herr. Ich muss nicht diskutieren, damit meine
Wünsche erfüllt werden. Komm einfach mit und setze dich an meinen
Tisch. Sie ist eine dumme Frau, die es nicht versteht, die treuen
Diener ihres Gatten zu belohnen. Und sie ist eine eifersüchtige Frau,
denn sie glaubt, ein hübsches Gesicht richte aus der Ferne weniger
Schaden an.«
Ich ergriff die dargebotene Hand nicht, sondern blieb lächelnd
am Fenster sitzen. »Mylord«, sagte ich. »Ich nehme an, Ihr reitet in
wenigen Tagen wieder zum Hofe?«
»Ja«, sagte er. »Und?«
»Werdet Ihr mich mitnehmen?«
Er sah mich erstaunt an. »Darüber habe ich noch gar nicht
nachgedacht.«
Ich spürte, wie mein Lächeln breiter wurde. »Das dachte ich
mir schon. Es könnte also durchaus geschehen, dass ich noch einige
Wochen hierbleibe?«
»Ja. Und?«
»Und deshalb würde ich an Eurer Stelle die Gereiztheit Eurer
Gattin lieber nicht zu heller Wut anfachen, wenn Ihr ein und aus geht
wie ein Frühlingswind, der den Frieden des Obstgartens zerstört.«
Er lachte. »Und – lebst du mit ihr in Frieden, mein
kleiner Obstgarten?«
»Wir befinden uns in einem Zustand stummer Feindseligkeit«,
bekannte ich freimütig. »Doch dieser Zustand ist mir lieber als der
offene Krieg, den Ihr erklären würdet. Geht nun und speist mit ihr, und
ich sehe Euch heute Abend wieder.«
Robert tätschelte mir die Wange. »Gott segne deine Vorsicht,
kleine Hannah. Ich hätte dich niemals dem König abtreten sollen. Ich
wäre heute besser dran, wenn ich dich als Ratgeberin behalten hätte.«
Dann lief er pfeifend treppab, und mich überlief ein Frösteln,
als ich hörte, wie der Wind vor den Burgfenstern sein Pfeifen erwiderte.
Beim Nachtmahl beobachtete ich Amy, die
ihren Ehemann nicht aus den Augen ließ. Sie sehnte sich danach, im
Zentrum seiner Aufmerksamkeit zu stehen, beherrschte jedoch keineswegs
die Kunst, ihn zu fesseln. Sie kannte keinerlei Hofklatsch, sie kannte
nicht einmal die Hälfte der Namen, die er ständig im Munde führte. Am
unteren Ende der Tafel bei der Dienerschaft hockend, heftete ich meinen
Blick auf den Teller, um nicht laut loszulachen über die Anekdote über
eine Bekannte bei Hofe oder gar Lord Robert zu fragen, was denn aus dem
einen oder anderen jungen Höfling geworden sei.
Lady Amy beherrschte weder die Kunst der Konversationsführung,
noch konnte sie etwas zum Gespräch beisteuern. Sie schmollte, wenn Lord
Robert über eine Frau sprach, sie schaute missbilligend auf ihren
Teller, wenn er mit einem Lachen die Königin erwähnte. Sie war
regelrecht unhöflich zu John Dee, den sie offensichtlich als einen Mann
betrachtete, der sein Fähnchen nun nach dem katholischen Winde gehängt
hatte. Doch Neues von Prinzessin Elisabeth wollte sie auch nicht hören.
Vermutlich hatte mein Lord, als er sie kennengelernt hatte,
ihre unverdorbene Frische geliebt. Sie war ein junges Mädchen gewesen,
das nichts von Intrigen bei Hofe wusste und keine Ahnung hatte von dem
Ränkespiel, das der Herzog von Northumberland betrieb. Als Tochter
eines einfachen Landedelmannes aus Norfolk mit großen, unschuldigen
blauen Augen und wohlentwickelten Brüsten musste sie für Lord Robert
all das verkörpert haben, was er bei den Hofdamen vermisste:
Ehrlichkeit, Schlichtheit, Wahrhaftigkeit. Doch nun gereichten ihr
diese ehemaligen Vorzüge zum Nachteil. Nun brauchte er eine Frau, die
Veränderungen bewältigen konnte, die ihre Sprache und ihr Auftreten den
herrschenden Zuständen anpassen, die über ihn wachen und ihn warnen
konnte. Er brauchte eine Frau von raschem Verstand und
gesellschaftlichem Schliff, eine Frau, die er zum Königshof mitnehmen
konnte, damit er unter all den Hofdamen eine Verbündete besaß.
Stattdessen war er mit einer Gattin belastet, die aus lauter
Eitelkeit den Fehler beging, den Kaplan eines der mächtigsten
Kirchenoberen des Landes zu beleidigen, einer Frau, die sich weder für
die Angelegenheiten bei Hofe noch für die Welt im Allgemeinen
interessierte und ihm seine Ambitionen nicht verzieh.
»Wir bekommen keinen Dudley-Nachwuchs, wenn sie sich nicht ein
bisschen mehr Mühe mit ihm gibt«, flüsterte mir eine der Kammerzofen
abschätzig zu.
»Was hat sie denn?«, fragte ich. »Ich dachte, sie würde sich
gleich auf ihn stürzen.«
»Sie kann ihm nicht verzeihen, dass er mit den Gefolgsmännern
seines Vaters an den Hof gezogen ist. Sie hat geglaubt, die Kerkerhaft
würde ihm eine Lektion
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