Die Hofnärrin
Bonner.
Ich trat an das Fenster der oberen Galerie, wo ich mit Danny
gespielt hatte, um zu sehen, wie Robert Dudley willkommen geheißen
wurde. Die Haustür flog auf und Amy Dudley erschien auf der obersten
Stufe der Treppe. Mit gefalteten Händen bot sie das perfekte Bild
züchtiger Beherrschung, doch ich wusste, dass sie sich ihm am liebsten
in die Arme geworfen hätte. Ich hörte, wie die übrigen Mitglieder des
Haushalts rasch die Treppe herabkamen und über die glänzenden Dielen
schlitterten, um an Ort und Stelle zu sein, wenn der geehrte Gast die
Halle betrat.
Lord Robert zügelte sein Pferd, sprang aus dem Sattel, warf
die Zügel einem wartenden Stallknecht zu und machte über seine Schulter
eine Bemerkung zu John Dee, dann verneigte er sich vor seiner Gattin
und küsste ihr die Hand, als sei er nur ein paar Nächte fort gewesen
und nicht die meisten Jahre ihrer Ehe.
Amy knickste kühl, dann wandte sie sich Mr. Dee zu und
bedachte ihn mit einem flüchtigen Nicken; sie verschwendete keine
Höflichkeit an den Helfer des Bischofs. Ich musste lächeln über ihre
Torheit: Gewiss würde Robert es nicht dulden, dass sein Freund derart
geschmäht wurde.
Ich nahm Danny hoch, der mit strahlendem Lächeln –
jedoch stumm – auf mich zukam, und stieg mit ihm die Treppe in
die Halle hinab. Der ganze Haushalt war versammelt und hatte sich wie
zu einer Inspektion in einer Reihe aufgestellt, deren Spitze Sir John
Philips und seine Gattin bildeten. Lord Roberts Gestalt füllte nahezu
die Tür aus, zuversichtlich lächelnd stand er da, von hinten von der
untergehenden Sonne bestrahlt, sodass er wirkte wie von einer Gloriole
umgeben. Wie immer war ich gebannt von seiner blendenden Erscheinung.
Die Jahre im Kerker hatten ihm nicht viel anhaben können, lediglich
zwischen Mundwinkel und Nase hatte sich eine scharfe Falte gebildet,
und aus seinen Augen blitzte eine gewisse Härte. Er wirkte wie ein
Mann, der Prügel eingesteckt und mit dem Wissen um seine Niederlage zu
leben gelernt hat. Abgesehen von diesem Schatten war er derselbe junge
Mann, den ich vor fünf Jahren auf der Fleet Street in Begleitung eines
Engels gesehen hatte. Sein Haar war immer noch dunkel und dicht und
lockig, sein Blick herausfordernd, sein Mund stets zum Lächeln bereit,
und seine Haltung die eines geborenen Prinzen.
»Ich freue mich, dass ich endlich zu Euch kommen konnte«,
sagte er, an alle gewandt. »Und ich danke Euch für die guten Dienste,
die Ihr in meiner Abwesenheit mir und den Meinen geleistet habt.« Er
hielt inne. »Ihr seid sicher begierig, Neues von der Königin zu hören«,
fuhr er fort und blickte zur Treppe hoch. Dort stand ich, als Frau
gekleidet – noch nie hatte Lord Robert mich so gesehen. Sein
erstaunter Blick glitt über mein tief ausgeschnittenes Kleid, das ich
mit Hilfe von Mrs. Oddingsell genäht hatte, über mein dunkles, unter
die Haube gestrichenes Haar und über das dunkelhaarige Kind auf meiner
Hüfte. Seine Reaktion drückte Verwirrung aus: Er schaute zu Boden, dann
wieder auf, erkannte mich und schüttelte erstaunt den Kopf, fuhr jedoch
in seiner Rede fort.
»Die Königin hat sich in ihr Wochenbettgemach zurückgezogen.
Man rechnet damit, dass sie bald einen Sohn zur Welt bringt. Sobald das
Kind geboren ist, wird der König nach England zurückkehren, bis dahin
verteidigt er die Grenzen seines Reiches in den Niederlanden und hat
geschworen, Calais für England zurückzuerobern. Prinzessin Elisabeth
hat ihrer Schwester einen Besuch abgestattet und ihr alles Gute
gewünscht. Die Prinzessin befindet sich wohl, ist guten Mutes und von
großer Schönheit, möge Gott sie erhalten. Sie hat der Königin
versichert, dass sie keinen der spanischen Granden heiraten will, nicht
einmal auf Vorschlag des Königs. Sie will die Braut Englands bleiben.«
Ich fand, dies war eine sonderbare Art, Nachricht von der
Königin zu geben, doch der Dienerschaft gefiel es offenbar, und als der
Name der Prinzessin fiel, wurde interessiertes Raunen laut. Wie im
übrigen Lande war Königin Maria auch hier nicht gut angesehen. Man
lastete ihr den Verlust von Calais an, denn sie hatte sich entgegen der
Tradition ihrer Familie und gegen die Bedenken ihres Geheimen Rates in
einen Krieg gegen Frankreich verwickeln lassen. Das Volk machte sie
verantwortlich für den Hunger im Lande und für das schlechte Wetter,
für die Missernten und die vielen Ketzer, die auf dem Scheiterhaufen
ihr Leben gelassen hatten.
Ein gesunder Sohn war nun das
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