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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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schöne Kleider und Haarbänder an. Doch nun hatte
ich die Sünde der Eitelkeit als Knabe in der Narrenlivree begangen: Ich
war stolz auf meine Gelehrsamkeit gewesen, und die Strafe dafür konnte
furchtbar sein.
    »Mr. Dee …«, flüsterte ich entsetzt.
    Er lächelte mich an. »Schon, als ich dich zum ersten Mal sah,
kam mir der Gedanke, dass du aus Spanien geflohen sein könntest«, sagte
er milde. »Ich habe mir schon gedacht, dass ihr Conversos seid. Doch es
ist nicht meine Art, dies aller Welt zu verkünden. Und Lord Robert
lehnt es ab, Menschen wegen des Glaubens ihrer Väter zu verfolgen,
besonders dann, wenn sie diesem Glauben abgeschworen haben. Du gehst
doch zur Kirche, nicht wahr? Und hältst gewissenhaft die Feiertage ein?
Glaubst du an die Gnade Jesu Christi?«
    »Oh ja, mein Herr. Ganz gewiss.« Es hatte keinen Sinn, ihm zu
sagen, dass es keine frommeren Christen gäbe als Juden, die mit ihrer
Umgebung verschmelzen wollen.
    Mr. Dee dachte nach. »Ich meinerseits bete für eine Zeit, in
der wir diese Trennungen hinter uns gelassen haben und zu der
dahinterliegenden Wahrheit gelangt sind. Manche Menschen glauben, dass
es weder Gott noch Allah noch Elohim gibt …«
    Bei der Nennung des geheiligten Namens des einzigen Gottes
keuchte ich vor Erstaunen. »Mr. Dee? Seid Ihr einer der Auserwählten
des Volkes Gottes?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich glaube zwar an einen Schöpfer, an
den allmächtigen Schöpfer der Welt, doch ich kenne nicht seinen Namen,
nur die Namen, die Menschen ihm gegeben haben. Warum sollte ein Name
wahrhafter sein als der andere? Was ich kennenlernen möchte, ist Sein
Heiliges Wesen. Was ich begehre, ist die Hilfe der Engel. Was ich will,
ist, sein Werk fortzusetzen, um aus dem Unedlen Gold zu machen, um aus
dem Niederen das Heilige zu schaffen.« Er brach ab. »Sagt dir das
irgendetwas?«
    Ich bemühte mich um eine ausdruckslose Miene. In Spanien hatte
mein Vater Bücher besessen, in denen von den Geheimnissen der
Erschaffung der Welt die Rede war. Immer wieder war damals der Gelehrte
gekommen, um sie zu lesen, sowie der Jesuit, den es nach Geheimnissen
jenseits der Grenzen seines Ordens dürstete.
    »Alchemie?«, fragte ich sehr leise.
    Dee nickte. »Der Schöpfer hat uns eine Welt voller Rätsel
gegeben. Doch ich glaube, eines Tages werden wir alle gelöst haben.
Hier und jetzt verstehen wir nur sehr wenig, und sowohl die Kirche des
Papstes als auch die des Königs sowie die Gesetze des Landes verbieten
das weitere Fragen. Aber ich glaube nicht, dass Gottes Gesetz uns das
Fragen verbietet. Ich glaube, er hat diese Welt geschaffen wie einen
prächtigen mechanischen Garten, der nach seinen eigenen Gesetzen wächst
und gedeiht, und eines Tages werden wir diese Gesetze verstehen.
Alchemie – die Kunst der Veränderung – wird der Weg
zum Verständnis sein, und wenn wir wissen, wie die Dinge gemacht sind,
können wir sie auch selbst machen, wir werden das Wissen Gottes haben,
wir werden uns selbst stofflich verändern, wir werden Engel
sein …«
    Wieder brach er ab. »Besitzt dein Vater viele Werke über
Alchemie? Mir hat er nur die religiösen Bücher gezeigt. Besitzt er
alchemistische Texte in Hebräisch? Kannst du sie mir einmal vorlesen?«
    »Ich kenne nur die erlaubten Bücher«, sagte ich bedachtsam.
»Mein Vater besitzt keine verbotenen Bücher.« Nicht einmal dieser
freundliche Mann, der mir seine eigenen Geheimnisse anvertraute, konnte
mich dazu bringen, die gefährliche Wahrheit auszuplaudern. Ich war in
einer Welt absoluter Geheimhaltung aufgewachsen, niemals würde ich die
Gewohnheit aufgeben können, aus Angst die Unwahrheit zu sagen. »Ich
kann zwar Hebräisch lesen, die jüdischen Gebete kenne ich jedoch nicht.
Mein Vater und ich sind fromme Christen. Er hat mir nie Bücher über
Alchemie gezeigt, er führt sie gar nicht. Ich bin noch zu jung, um
solche Bücher zu verstehen. Ich weiß nicht, ob es ihm gefallen würde,
dass ich Euch Hebräisch vorlese, Sir.«
    »Ich werde ihn fragen und bin sicher, dass er es erlaubt«,
sagte John Dee leichthin. »Hebräisch lesen zu können ist eine Gabe
Gottes, das Talent für Sprachen ein Zeichen für einen Menschen mit
reinem Herzen. Hebräisch ist die Sprache der Engel, näher können wir
Sterblichen der Zwiesprache mit Gott nicht kommen. Hast du das nicht
gewusst?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Aber genau so ist es«, fuhr er enthusiastisch fort. »Vor dem
Sündenfall sprach Gott im Garten Eden zu Adam und Eva, und sie

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