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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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an
sich. Sein Griff war warm und stark. Ein ungewohntes Gefühl der
Sicherheit überkam mich, und für einen Augenblick überließ ich mich der
Umarmung.
    »Wollen sie gegen uns vorgehen?«
    »Nein.«
    »Aber du bist die Geisel.«
    »In gewisser Weise. Es kommt mir aber so vor, als ob Lord
Robert mein Geheimnis kennen würde und mir nun seines anvertraute. Ich
fühle mich ihm verpflichtet.«
    Er nickte kurz. Ich reckte den Kopf, um einen Blick in sein
düsteres Gesicht zu werfen. Einen Moment glaubte ich, er sei voller
Zorn, doch dann begriff ich, dass er nur angestrengt nachdachte. »Kennt
er meinen Namen?«, fragte er dann. »Oder den meiner Mutter oder meiner
Schwestern? Sind wir nun alle in Gefahr?«
    »Er weiß, dass ich verlobt bin, aber den Namen meines
Verlobten kennt er nicht. Und er weiß nichts über deine Familie«, sagte
ich mit einem raschen Anflug von Stolz. »Ich habe dich keiner Gefahr
preisgegeben.«
    »Nein, du behältst alles für dich«, bemerkte er mit einem
kurzen, bitteren Lächeln. »Aber wenn sie dich verhörten, könntest du es
nicht mehr lange für dich behalten.«
    »Ich würde dich niemals verraten«, beeilte ich mich zu sagen.
    Seine Miene drückte immer noch Besorgnis aus. »Niemand kann
unter der Folter Schweigen bewahren, Hannah. Und ein Steinhagel würde
aus den meisten Menschen die Wahrheit herausprügeln.« Er blickte über
meinen Kopf hinweg auf den Fluss. »Hannah, ich sollte dir verbieten zu
gehen.«
    Ich machte eine unwillige Bewegung. »Streite nicht mit mir um
Nichtigkeiten, um plumpe Worte«, beeilte er sich zu sagen. »Ich wollte
dir nicht etwas verbieten wie ein Herr und Meister. Ich wollte dich
anflehen, nicht zu gehen – hört sich das besser an? Denn diese
Straße führt geradewegs in die Gefahr.«
    »Ich bin immer in Gefahr, wohin ich auch gehe«, erwiderte ich.
»Und bei diesem Auftrag wird mich ja Lord Robert beschützen.«
    »Aber nur, weil du tust, was er von dir verlangt.«
    Ich nickte. Ich konnte ihm nicht gestehen, dass ich freiwillig
angeboten hatte, in die Gefahr zu gehen, und dass ich Schlimmeres
gewagt hätte, um Lord Roberts Liebe zu erlangen.
    Nun gab er mich frei. »Ich bedauere sehr, dass du hier bist,
und völlig ohne Schutz. Wenn du nach mir geschickt hättest, wäre ich
früher gekommen. Diese Last solltest du nicht allein tragen.«
    Ich dachte an die Schrecken meiner Kindheit, an meine
Lehrjahre der Angst auf unserer Flucht quer durch Europa. »Dies war
schon immer meine Last.«
    »Aber du hast doch jetzt Verwandte, du hast mich«, sagte er
mit dem Stolz eines jungen Mannes, der zu früh Oberhaupt der Familie
geworden ist. »Ich werde deine Last für dich tragen.«
    »Ich trage sie selber«, erwiderte ich stur.
    »Oh ja, du bist ja auch eine eigenständige Frau. Doch wenn du
so gnädig wärst, nach mir zu schicken, wenn du in Gefahr bist, dann
würde ich kommen und dir mit deiner Erlaubnis freundlichst zur Flucht
verhelfen.«
    Daraufhin musste ich kichern. »Ich verspreche, dass ich nach
dir schicke.« Ich reichte ihm meine Hand in einer Geste, wie sie sich
für einen Knaben ziemte. Doch Daniel nahm meine Hand und zog mich
wieder an sich, beugte seinen Kopf. Sehr zärtlich küsste er mich auf
den Mund, und ich spürte seine warmen Lippen.
    Dann gab er mich frei und trat einen Schritt zurück. Ich
spürte eine leichte Benommenheit, als hätte ich zu viel starken Wein
getrunken. »Oh, Daniel!«, hauchte ich, aber er stieg bereits ins Boot
und hörte mich nicht. Ich drehte mich zu meinem Vater um und ertappte
ihn bei einem kaum verhohlenen Lächeln.
    »Gott segne dich, meine Tochter, und bringe dich heil zu uns
zurück«, sagte er leise. Ich kniete auf dem hölzernen Landesteg nieder,
um meines Vaters Segen zu empfangen, und spürte, wie sich seine Hand in
der vertrauten liebevollen Geste auf meinen Kopf senkte. Dann nahm er
meine Hände und zog mich hoch. »Er ist doch ein anziehender junger
Mann, nicht wahr?«, fragte er mit einem Kichern in der Stimme. Dann
hüllte er sich enger in seinen Umhang und stieg die Stufen zu dem
Fischkutter hinab.
    Das Boot stieß ab und schoss über das dunkle, schäumende
Wasser davon, ließ mich allein auf dem Anlegesteg zurück. Der Nebel
über dem Fluss und die zunehmende Dunkelheit ließen alle Umrisse
verschwimmen, und ich hörte nur noch das Eintauchen der Ruder und das
Knarren der Ruderklampen. Dann verklangen auch diese Laute, und das
Einzige, was blieb, war das Klatschen und Saugen der anschwellenden
Wellen

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