Die Hofnärrin
Nacken. »Ich kann ein Geheimnis
bewahren«, sagte ich wenig hilfreich. »Aber ich mag das nicht.«
»Und fällst du etwa nicht in Trance und sprichst von
Vorhersehung und Rauch und Spiegeln?«
»Ihr habt mich in Eure Dienste genommen, weil ich in Trance
falle und das zweite Gesicht habe«, stimmte ich zu. »Aber ich kann die
Gabe nicht herbeizwingen.«
»Tut sie das oft?«, wollte er von seinem Sohn wissen.
Lord Robert schüttelte den Kopf. »Selten, und sie kennt ihre
Grenzen. Ihre Angst ist größer als ihre Gabe. Sie ist geistreich genug,
um einem das Wort im Munde umzudrehen. Aber wer würde schon auf einen
Narren hören?«
Der Herzog ließ sein kurzes bellendes Lachen hören. »Ein
anderer Narr«, meinte er.
Robert lächelte. »Hannah wird unsere Geheimnisse wahren«,
sagte er sanft. »Sie ist mein, mit Herz und Seele.«
Der Herzog nickte. »Nun gut. Dann weihe sie in den Rest ihrer
Aufgabe ein.«
Ich schüttelte den Kopf. Ich wollte meine Ohren verschließen,
aber Lord Robert kam um den Tisch und nahm meine Hand. Er stand ganz
dicht bei mir, und als ich wagte, den Kopf zu heben, begegnete ich
seinem dunklen Blick. »Holder Knabe, du musst für mich zu Lady Maria
gehen und mir schreiben, was sie denkt und wohin sie geht und mit wem
sie zusammenkommt.«
Ich blinzelte verwirrt. »Ich soll sie ausspionieren?«
Er zögerte. »Du sollst ihr eine Gefährtin sein.«
»Sie ausspionieren. Ganz genau«, warf sein Vater brutal ein.
»Willst du das für mich tun?«, fragte Lord Robert. »Du würdest
mir einen sehr großen Dienst erweisen. Einen Dienst, den ich um deiner
Liebe willen erbitte.«
»Wird das gefährlich für mich?«, fragte ich. Im Geiste hörte
ich schon die Schergen der Inquisition an die schwere Holztür pochen
und schwere Schritte über unsere Schwelle poltern.
»Nein«, versprach er. »Ich habe dir für die Zeit, in der du
mein bist, Sicherheit garantiert. Du wirst mein Hofnarr sein, du stehst
unter meinem Schutz. Niemand kann dir etwas anhaben, solange du zu den
Dudleys gehörst.«
»Was soll ich tun?«
»Lady Maria beobachten und mir Bericht erstatten.«
»Ihr wollt, dass ich Euch schreibe? Darf ich Euch denn niemals
besuchen?«
Er lächelte. »Du sollst kommen, wenn ich nach dir schicken
lasse. Und falls irgendetwas geschieht …«
»Was denn?«
Er zuckte die Achseln. »Wir leben in gefährlichen Zeiten,
holder Knabe. Wer kann voraussehen, was geschieht? Deshalb musst du mir
berichten, was Lady Maria tut. Wirst du das für mich tun? Aus Liebe zu
mir, mein Kleines? Für meine Sicherheit?«
Ich nickte. »Ja.«
Er fasste in seine Tasche und zog einen Brief hervor. Mein
Vater hatte ihn geschrieben und sicherte dem Herzog darin die Lieferung
einiger Manuskripte zu. »Hier ist ein Rätsel für dich«, sagte Lord
Robert leise. »Siehst du die ersten sechsundzwanzig Buchstaben des
ersten Satzes?«
Ich überflog den Satz. »Ja.«
»Diese sollen unser Alphabet sein. Wenn du mir schreibst,
benutze diese Lettern. Mit der Stelle ›My Lord‹ fängt dein ABC an. Das
M in ›my‹ ist dein A. Das Y dein B. Und so weiter, verstehst du? Wenn
ein Buchstabe zwei Mal vorkommt, so benutze ihn nur ein Mal. Den ersten
Satz Buchstaben benutzt du in deinem ersten Brief an mich, den zweiten
im zweiten Brief, und so fort. Ich habe auch eine Abschrift des
Briefes, sodass ich deine Botschaft gleich nach dem Erhalt übersetzen
kann.«
Er sah zu, wie ich die Seite überflog. Es gab nur eines, nach
dem ich suchte: Ich wollte wissen, wie lange dieses System Bestand
haben sollte. Es waren genug Sätze für mindestens ein Dutzend Briefe
vorhanden – folglich schickte er mich für Wochen fort.
»Ich soll Euch in einem Code schreiben?«, fragte ich nervös.
Seine warme Hand schloss sich um meine kalten Finger. »Nur, um
dem Gerede vorzubeugen«, versicherte er. »Auf diese Weise können wir
einander im Geheimen schreiben.«
»Wie lange muss ich fortbleiben?«, flüsterte ich.
»Oh, nicht so sehr lange.«
»Werdet Ihr mir antworten?«
Er schüttelte den Kopf. »Nur, wenn ich dich etwas fragen muss.
Wenn dies der Fall sein sollte, werde ich ebenfalls dieses System
benutzen. Mein erster Brief wird aus den ersten sechsundzwanzig
Schriftzeichen bestehen, der zweite aus dem zweiten Satz Buchstaben.
Und bewahre meine Briefe nicht auf. Verbrenne sie, sobald du sie
gelesen hast. Und mache dir auch keine Abschriften deiner eigenen
Briefe.«
Ich nickte.
»Sollte irgendjemand diesen Brief sehen, dann ist er nur
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