Die Hofnärrin
die anderen Frauen auf
einem Schemel Platz und beugte sich geflissentlich über eine
Stickarbeit.
»Du bringst mir Neuigkeiten vom Hofe«, sagte Lady Maria.
»Vielleicht sollten wir uns allein unterhalten.«
Sie nickte den Damen kurz zu, und diese begaben sich zum
Erkerfenster, wo besseres Licht war. Dort setzten sie sich in einen
Kreis und sprachen leise miteinander, als wollten sie uns der Illusion
von Ungestörtheit versichern. Ich jedoch war der Ansicht, dass jede von
ihnen gespannt auf das lauschte, was ich zu erzählen hatte.
»Wie geht es meinem Bruder, dem König?«, erkundigte sich Lady
Maria und bedeutete mir, mich auf ein Kissen zu ihren Füßen zu setzen.
»Bringst du mir Nachricht von ihm?«
»Nein, Lady Maria.« Sie war sichtlich enttäuscht.
»Ich hatte gehofft, er würde mit mehr Liebe an mich denken,
nun, da er so krank ist«, sagte sie. »Als er ein kleiner Junge war,
habe ich ihn während eines halben Dutzends Krankheiten umsorgt. Ich
dachte, er würde sich daran erinnern und daran denken, dass
wir …«
Ich wartete darauf, dass sie ausführlicher würde, doch sie
legte lediglich die Fingerspitzen aneinander, als wollte sie ihre
Erinnerungen im Zaum halten. »Gleichviel«, sagte sie. »Irgendwelche
anderen Botschaften?«
»Der Herzog schickt Euch Wildbret und jungen Salat«, erwiderte
ich. »Es ist mit den Möbeln zusammen gekommen und in Eure Küche
geschickt worden. Und er bat mich, Euch diesen Brief zu überbringen.«
Lady Maria nahm den Brief, erbrach das Siegel und strich das
Papier glatt. Zuerst lächelte sie, dann vernahm ich ein amüsiertes
Kichern. »Du bringst mir willkommene Neuigkeiten, Hofnärrin Hannah.
Dies ist eine Zahlung aus dem Testament meines verstorbenen Vaters, die
man mir seit langer Zeit schuldet, schon seit seinem Tode. Ich dachte
schon, ich würde das Geld nie erhalten, aber hier ist es, ein Wechsel
auf einen Londoner Bankier. Nun kann ich meine Rechnungen bezahlen und
den Krämern wieder in die Augen sehen.«
»Das freut mich für Euch«, sagte ich unbeholfen, weil ich
nicht wusste, was ich sonst sagen sollte.
»Ja«, fuhr sie fort. »Man sollte meinen, dass König Heinrichs
einzige legitime Tochter schon längst über ihr Vermögen verfügen
könnte, aber sie haben es hinausgezögert und mich hingehalten, bis ich
schon glaubte, sie wollten mich hier verhungern lassen. Nun aber bin
ich wieder in Gnaden aufgenommen worden.«
Nachdenklich hielt sie inne. »Doch die Frage bleibt, warum ich
plötzlich so gut behandelt werde?« Prüfend sah sie mich an. »Hat Lady
Elisabeth auch ihr Erbe erhalten? Sollst du auch sie mit einem solchen
Briefe besuchen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Mylady, woher sollte ich das wissen?
Ich bin nur ein Bote.«
»Keine Nachricht über sie? Sie weilt zurzeit nicht bei Hofe,
um meinen Bruder zu besuchen?«
»Als ich abreiste, war sie nicht dort«, sagte ich bedächtig.
Lady Maria nickte. »Und er? Mein Bruder? Geht es ihm überhaupt
besser?«
Ich dachte an den langsamen Aderlass der Ärzte. Stets waren
sie voller Versprechungen gekommen, hatten jedoch nichts weiter getan,
als den jungen König mit einer neuen Heilmethode zu quälen. Am Morgen
meiner Abreise war der Herzog mit einer alten Vettel erschienen, die
nun den König pflegen sollte: einer ehemaligen Hebamme, die überdies
als Leichenbesorgerin gearbeitet hatte. Damit war es sonnenklar, dass
der König sich nicht wieder erholen würde.
»Ich glaube nicht, Mylady«, erwiderte ich. »Sie hatten
gehofft, dass das warme Sommerwetter seiner Brust guttun würde, aber es
scheint ihm so schlecht zu gehen wie eh und je.«
Sie beugte sich vor. »Sag mir die Wahrheit, Kind. Liegt mein
kleiner Bruder im Sterben?«
Ich zögerte, da ich nicht wusste, ob es Verrat bedeutete, den
Tod des Königs vorauszusagen.
Sie nahm meine Hand, und ich schaute in ihr kantiges,
entschlossenes Gesicht. Ihre dunklen, ehrlichen Augen trafen meine. Sie
sah aus wie eine Frau, der man vertrauen konnte, wie eine Herrin, die
man lieben konnte. »Du kannst es mir verraten, ich weiß ein Geheimnis
zu bewahren«, drängte sie mich. »Ich habe viele, viele Geheimnisse für
mich behalten.«
»Da Ihr fragt, werde ich es Euch sagen: Ich bin sicher, dass
er bald stirbt«, gab ich leise zu. »Doch der Herzog leugnet es.«
Sie nickte. »Was kannst du mir über diese Hochzeit berichten?«
Ich zögerte. »Welche Hochzeit?«
Sie murrte, ein wenig indigniert. »Die Heirat Lady Jane Greys
mit dem Sohn des Herzogs! Was
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