Die Hofnärrin
Mädchen rannte auf uns zu. Es war Lady Margaret.
Während sie näher kam, spürte ich, wie Lady Maria ihren Rücken straffte
und sich für die Nachricht wappnete, die ich ihr vorhergesagt hatte.
Sie wollte, dass alles ganz natürlich aussähe: Ihre Gesellschaftsdame
sollte sie friedlich sitzend im Garten vorfinden, in Gesellschaft der
Hofnärrin, die neben ihr döste. Alsdann würde sie die Nachricht des
Thronerbes mit passenden Worten aus den Psalmen würdigen, die ihr
bereits auf der Zunge lagen. Sie flüsterte sie mir rasch zu: »Dies ist
das Werk des Herrn; es ist wunderbar in unseren Augen.«
»Lady Maria! Oh!«
Das Mädchen war fast sprachlos, so begierig war es, die
Neuigkeit zu überbringen, und atemlos vom schnellen Laufen obendrein.
»Eben gerade in der Kirche …«
»Was?«
»Sie haben nicht für Euch gebetet.«
»Für mich gebetet?«
»Nein. Sie haben für den König und seine Ratgeber gebetet, so
wie immer, aber als dann die Stelle kam ›und für die Schwestern des
Königs‹, haben sie Euch ausgelassen.«
Lady Marias wachsamer Blick ruhte auf dem Gesicht des
Mädchens. »Uns beide? Elisabeth auch?«
»Ja!«
»Bist du sicher?«
»Ja.«
Lady Maria erhob sich, die Augen vor Sorge zusammengekniffen.
»Schickt Mr. Tomlinson nach Ware, sagt ihm, er soll weiterfahren nach
Bishop Stortford, wenn es sein muss, um Nachricht von anderen Kirchen
einzuholen. Bringt in Erfahrung, ob es überall geschieht.«
Das Mädchen knickste, raffte seine Röcke zusammen und eilte
wieder ins Haus.
»Was bedeutet das?«, fragte ich und kam mühsam auf die Beine.
Sie sah durch mich hindurch. »Es bedeutet, dass Northumberland
anfängt, gegen mich zu arbeiten. Als Erstes gibt er mir keine
Nachricht, wie krank mein Bruder wirklich ist. Dann befiehlt er den
Priestern, mich und Elisabeth in den Fürbitten nicht mehr zu erwähnen,
und als Nächstes wird er ihnen befehlen, einen anderen, den neuen Erben
der Krone, zu nennen. Und wenn mein armer Bruder gestorben ist, wird er
mich und Elisabeth verhaften lassen und seinen falschen König auf den
Thron setzen.«
»Wen?«, fragte ich.
»Edward Courtenay«, sagte sie bestimmt. »Meinen Cousin. Er
bleibt Northumberlands einzige Wahl, da er ja schlecht sich selbst oder
einen seiner Söhne auf den Thron setzen kann.«
Plötzlich begriff ich: die Hochzeitsfeierlichkeiten, das
bleiche Antlitz Lady Jane Greys, die Druckmale an ihrem Hals, als hätte
jemand Gewalt angewandt, um sie seinen Zielen gefügig zu machen. »Oh,
aber er kann es doch: mittels Lady Jane Grey«, sagte ich.
»Frisch getraut mit Northumberlands Sohn Guilford«, überlegte
Lady Maria. Sie schwieg einen Moment. »Ich hätte nicht gedacht, dass
sie es wagen würden. Ihre Mutter, meine Cousine, muss beiseite treten,
muss ihren Anspruch zugunsten der eigenen Tochter aufgeben. Aber Jane
ist Protestantin, und Dudleys Vater hält den Schlüssel zum Königreich
in seiner Hand.« Sie lachte bitter. »Mein Gott! Und was für eine
Protestantin! Sie ist als Protestantin sogar besser als Elisabeth, und
das will etwas heißen! Als Protestantin hat sie sich in die Nachfolge
meines Bruders eingeschlichen, als Protestantin hat sie ihren Weg zum
Verrat gefunden, die arme kleine Törin, Gott möge ihr vergeben. Sie
werden sie benutzen und vernichten, das arme Mädchen. Doch zuerst
müssen sie mich beseitigen, das ist zwingend notwendig. Mir die
Fürbitten des Volkes zu rauben, ist nur der erste Schritt. Als Nächstes
werden sie mich verhaften, dann wird irgendeine Anklage konstruiert,
und ich gehe aufs Schafott.«
Plötzlich wurde ihr Gesicht noch weißer, und sie musste sich
an der Wand festhalten. »Mein Gott, was wird aus Elisabeth? Er wird uns
beide töten«, flüsterte sie. »Er muss ja. Sonst wird es doppelte
Aufstände gegen ihn geben, von protestantischer und von katholischer
Seite. Er muss mich beseitigen, damit die mutigen Männer des wahren
Glaubens fallen. Aber er muss auch Elisabeth loswerden. Warum sollten
die Protestanten einer Königin Jane und einem Leisetreter wie Guilford
Dudley Gehorsam schwören, wenn sie stattdessen eine Elisabeth zur
Königin haben könnten? Wenn ich sterbe, ist sie der nächste Thronerbe,
eine protestantische Erbin. Northumberland muss eine Anklage wegen
Hochverrats gegen uns beide ersinnen – eine reicht nicht.
Elisabeth und ich werden binnen drei Monaten tot sein.«
Sie entfernte sich ein paar Schritte, machte auf dem Absatz
kehrt und kam wieder zu mir. »Ich muss Elisabeth
Weitere Kostenlose Bücher