Die Hofnärrin
werde es bei Hofe
Tanz und Festlichkeiten geben.
Am nächsten Tag waren wir auf der Landstraße und folgten Lady
Marias Standarte, umgeben von ihrer Leibwache. In den kleinen Dörfern
stürzten die Bauern aus ihren Häusern hervor und riefen ihr
Segenswünsche zu, hielten ihre kleinen Kinder hoch, damit sie die
Prinzessin sehen konnten.
Lady Maria zu Pferde war eine ganz andere Erscheinung als die
bleiche, kränkliche Frau, die gleichsam eingekerkert in Hunsdon Castle
lebte. Auf dem Ritt nach London, vom englischen Volke umjubelt, zeigte
sie sich als wahre Prinzessin. Sie trug ein tiefrotes Reitkleid mit
passender Jacke, das ihre dunklen Augen zum Leuchten brachte. Ihr
Reitstil war erhaben: Eine Hand im abgetragenen roten Handschuh hielt
die Zügel, während die andere leutselig dem Volk zuwinkte. Auf ihren
Wangen stand Farbe, und eine Locke ihres dunkelbraunen Haares lugte
keck unter dem Reithut hervor. Hoch erhobenen Hauptes, guten Mutes und
bar jeder Müdigkeit thronte sie stolz wie eine Königin auf ihrem Ross
und ließ sich vom Rhythmus des Tieres auf der großen Straße nach London
wiegen.
Ich ritt den größten Teil des Weges an ihrer Seite, und das
kleine braune Pony, das mir der Herzog gegeben hatte, musste sich
gewaltig anstrengen, um mit Lady Marias großem Pferd Schritt zu halten.
Sie befahl mir, Lieder aus meiner Kindheit in Spanien zu singen, und
manchmal erkannte sie ein paar Worte oder eine Melodie, die ihr einst
ihre Mutter vorgesungen hatte, und fiel in den Gesang ein, wobei ihre
Stimme in Erinnerung an die liebende Mutter ein wenig zitterte.
Wir eilten uns auf der Straße nach London, durchquerten
Furten, die im Sommer nicht besonders tief waren, und ritten Galopp,
sooft die Wege es zuließen. Lady Maria brannte darauf, so schnell wie
möglich zum Königshof zu kommen, um die Wahrheit zu erfahren. Ich
erinnerte mich an John Dees Spiegel und an meine Voraussage, dass der
König am sechsten Juli sterben würde, aber ich wagte nicht, es zu
erwähnen. Ich hatte den Namen der nächsten Königin von England
ausgesprochen, und es war nicht der Lady Marias gewesen. Den sechsten
Juli hatte ich nur geraten, um meinem Herrn gefällig zu sein, der Name
Jane jedoch war aus dem Nichts gekommen … beides mochte aber
auch nichts bedeuten. Doch während ich an Lady Marias Seite nach London
ritt, hoffte ich, meine Gabe der Vorhersehung wäre genau die
Haarspalterei und der Unsinn, für die ich sie stets gehalten hatte.
In der ganzen aufgeregten Schar war ich diejenige, die von der
größten Angst erfüllt war. Denn ich hatte die Zukunft vorausgesehen:
Lady Maria ritt nicht einer Versöhnung mit ihrem Bruder, dem König,
entgegen, sondern den Krönungsfeierlichkeiten der Lady Jane. Sie ritt
im Galopp ihrer Abdankung entgegen, und wir alle teilten ihr böses
Schicksal.
Wir saßen den ganzen Morgen im Sattel und trafen kurz nach
Mittag in dem Städtchen Hoddesdon ein, wundgeritten und nach einem
guten Essen und ein wenig Ruhe lechzend, bevor wir unsere Reise
fortsetzten. Plötzlich trat ein Mann aus einem Torweg hervor und hielt
seine Hand hoch. Es war offensichtlich, dass Lady Maria ihn kannte,
denn sie winkte ihn sogleich zu sich heran, damit sie ungestört
miteinander sprechen konnten. Der Mann stand am Hals des Pferdes und
nahm seinen Zügel, sie lehnte sich zu ihm hinunter. Er machte es sehr
kurz, ich mühte mich, etwas aufzuschnappen, doch er sprach zu leise.
Dann zog er sich zurück und verschwand in den schäbigen Straßen des
Städtchens. Lady Maria gab brüsk Befehl zum Halten und ließ sich so
schnell aus dem Sattel gleiten, dass ihr Stallmeister sie kaum
auffangen konnte. Im Laufschritt begab sie sich zum nächsten Gasthof,
rief im Gehen nach Papier und Feder und befahl ihrem Gefolge, Speise
und Trank zu sich zu nehmen, die Pferde zu versorgen und innerhalb
einer Stunde zur Weiterreise bereit zu sein.
»Muttergottes, das schaffe ich wirklich nicht«, jammerte Lady
Margaret, als ihre königliche Herrin an ihr vorbeiging. »Ich bin zu
müde, um noch einen Schritt zu tun.«
»Dann bleib hier!«, fuhr Lady Maria sie an, die niemals
Menschen anherrschte. Die ungewohnte Schärfe ihres Tons belehrte uns,
dass die hoffnungsvolle Fahrt nach London, der mit Freude erwartete
Besuch beim jungen König, plötzlich eine erschreckende Wendung erfahren
hatte.
Ich wagte nicht, eine Nachricht an Lord Robert zu schreiben.
Ihn zu erreichen war nicht einfach, überdies war die Stimmung unserer
Schar plötzlich
Weitere Kostenlose Bücher