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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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retten«, schwor sie.
»Was auch immer geschehen mag. Ich muss sie davor warnen, nach London
zu kommen. Sie soll stattdessen zu mir kommen. Ich lasse mir nicht den
Thron rauben. Ich habe nicht so viel ertragen, damit sie mir nun mein
Land rauben und es in Sünde stürzen. Ich werde jetzt nicht versagen.«
    Sie eilte zum Haus. »Komm, Hannah!«, rief sie mir über die
Schulter zu. »Komm rasch!«
    Lady Maria schrieb einen Warnbrief an Elisabeth sowie einen
Brief, in dem sie um Ratschläge bat. Ich sah keinen dieser Briefe, doch
am Abend bemühte ich mich, mit Hilfe von meines Vaters Brief ein
verschlüsseltes Schreiben an Lord Robert zu verfassen. »M ist sehr
besorgt, weil sie aus den Fürbitten ausgelassen wird. Sie glaubt, dass
Lady J zur Thronerbin ernannt wird. Sie hat Elis geschrieben, um sie zu
warnen. Und sich Rat suchend an den sp Gesandten gewandt.« Hier legte
ich eine Pause ein. Es war mühsam, jeden Buchstaben in einen anderen zu
verwandeln, aber ich wollte etwas schreiben – und sei es nur
eine Zeile oder ein Wort –, das mich ihm ins Gedächtnis
zurückrief, das ihn dazu bringen sollte, mich an den Hof
zurückzubeordern. Irgendeine schlichte Zeile, damit er beim Lesen an
mich denken musste – nicht an seinen Spion und Hofnarr,
sondern an das junge Mädchen, das aus lauter Liebe Herz und Seele für
seinen Dienst dahingab.
    »Ich vermisse Euch«, schrieb ich – und strich es
wieder durch, bemühte mich nicht einmal um die Verschlüsselung.
    Die Zeile »Wann kann ich heimkehren?«, erlitt das gleiche
Schicksal.
    »Ich fürchte mich«, war noch das ehrlichste aller Geständnisse.
    Am Ende schrieb ich gar nichts. Es wollte mir nichts
einfallen, das Lord Roberts Aufmerksamkeit auf mich lenken
konnte – beschäftigt, wie er zurzeit war mit dem baldigen
Ableben des jungen Königs und seiner frisch gebackenen jungen
Schwägerin, die den Thron von England anstrebte und der Familie Dudley
übermäßigen Ruhm verschaffen würde.
    Dann gab es nichts weiter zu tun, als auf
Nachricht aus London zu warten, dass der König gestorben sei. Lady
Maria hatte ihre eigenen verschwiegenen Boten, die kamen und gingen.
Ungefähr jeden dritten Tag jedoch erhielt sie einen Brief des Herzogs,
in dem er schrieb, das warme Wetter tue seine Pflicht, und der König
befinde sich auf dem Wege der Besserung: Das Fieber sinke, seine Brust
schmerze nicht mehr so arg, ein neuer Arzt sei berufen worden und
dieser hege große Hoffnung, dass der König im Hochsommer wieder auf dem
Posten sein werde. Einmal beobachtete ich Lady Maria beim Lesen eines
dieser optimistischen Bulletins und sah, wie ihre Augen sich ungläubig
verengten, dann faltete sie den Brief zusammen und schob ihn in eine
Schublade ihres Schreibpultes. Sie sah ihn nie wieder an.
    Doch in den ersten Julitagen traf ein Brief ein, der bewirkte,
dass sie nach Luft schnappte und eine Hand aufs Herz legte.
    »Wie geht es dem König, Mylady?«, fragte ich. »Nicht
schlechter, hoffentlich?«
    Das Blut war ihr in die Wangen gestiegen. »Der Herzog
schreibt, es gehe ihm besser. Er habe sich erholt und wolle mich
sehen.« Sie erhob sich und wanderte ruhelos vor dem Fenster auf und ab.
»Ich bete zu Gott, dass es ihm wirklich besser geht«, sagte sie leise
zu sich selbst. »So gut, dass er unsere alte Zuneigung wiederbeleben
will, so gut, dass er seine falschen Berater durchschaut. Vielleicht
hat Gott ihm neue Kraft geschenkt, damit er am Ende zu besserer
Einsicht gelangt. Oder dieses Komplott noch aufdecken kann. Oh
Muttergottes, weise mir den Weg!«
    »Sollen wir reisen?«, fragte ich. Ich war schon halb auf den
Beinen bei der Vorstellung, nach London zurückzukehren. Ich würde Lord
Robert wiedersehen und meinen Vater und Daniel – mich wieder
in den beschränkten Schutz der Männer begeben, die mich schützen
konnten.
    Lady Maria straffte ihre Schultern und traf eine Entscheidung.
»Wenn er nach mir fragt, muss ich natürlich zu ihm. Gib Bescheid, dass
die Pferde bereitgehalten werden. Wir reisen morgen.«
    Mit ihren steifen Röcken raschelnd verließ sie das Gemach, und
ich hörte, wie sie ihren Hofdamen befahl, für die Reise zu packen, wir
sollten alle zusammen nach London fahren. Sie lief die Treppe hinauf,
und ihre Füße trippelten auf den hölzernen Stufen wie die eines jungen
Mädchens. Mit fröhlicher, aufgeregter Stimme rief sie von oben Jane
Dormer zu, sie solle vor allem an ihren besten Schmuck denken, denn
wenn es dem König tatsächlich wieder besser gehe,

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