Die Hofnärrin
dass Lady Marias Haus eine Insel des illegalen
Papistentums im protestantischen Königreich bildete. Mir brach der
Angstschweiß aus, als die niederste Magd an mir vorbeischlüpfte, um an
der Zeremonie teilzunehmen, und ich wusste nicht, was ich tun sollte,
damit mir nichts geschah. Starr vor Angst stellte ich mir vor, man
könne bei Hofe berichten, dass ich eine Anhängerin des
römisch-katholischen Bekenntnisses sei – wie aber sollte ich
es anstellen, in diesem Hause als standhafter Protestant zu beten?
Schließlich fand ich einen Mittelweg, indem ich draußen blieb,
wo ich das Gemurmel des Pfarrers und die geflüsterten Responsorien zwar
hören konnte, aber nicht beschuldigt werden konnte, an der Messe
teilgenommen zu haben. Furchtsam hockte ich auf einem zugigen
Fenstersitz, jederzeit bereit, aufzuspringen und zu flüchten. Ständig
fuhr ich mir mit der Hand über die Wange, als wollte ich die Rußflocken
des Inquisitionsfeuers von meiner Haut wischen. Nagend saß die Angst in
meinem Magen, weil mir kein sicherer Ort einfallen wollte.
Nach der Messe wurde ich in Lady Marias Gemächer befohlen, um
der Bibellesung zu lauschen, die in Latein erfolgte. Ich versuchte,
ausdruckslos dreinzuschauen, als ob ich kein Wort verstünde, und als
sie mir danach die Bibel reichte, damit ich sie ins Regal stellte,
musste ich mich zurückhalten, um nicht auf den ersten Seiten nach dem
Namen des Druckers zu forschen. Doch mir schien, es war nicht die
Qualität, die mein Vater druckte.
Lady Maria begab sich früh zu Bett. Mit ihrer flackernden
Kerze durchschritt sie den langen, dunklen Korridor, vorbei an den
zugigen Fenstern ihres Hauses, die einen Blick auf das dunkle, leere
Land jenseits der steil abfallenden Burgmauern boten. Auch ihr Gefolge
ging zu Bett, es gab nichts, was das Wachbleiben lohnte, alle Tätigkeit
im Hause war erstorben. Es kamen keine Besucher, um die beliebte
Prinzessin zu sehen, und weder Komödianten noch Tänzer oder Bettler
wurden vom Reichtum dieses Hofes angezogen. Falls der Herzog Lady Maria
an einem Ort festhalten wollte, an dem sie kaum Besucher empfangen, an
dem ihr der Mut sinken sollte, an dem sie jeden Tag Kälte und
Einsamkeit empfinden würde, dann hätte er kaum einen besseren wählen
können.
Marias Hof in Hunsdon erwies sich als das,
was ich beim ersten Eindruck empfunden hatte: eine trübselige Heimat
von Außenseitern, regiert von einer Invalidin. Lady Maria wurde oft von
Kopfschmerzen heimgesucht, häufig am Abend, wenn sich mit dem
schwindenden Tageslicht auch ihr Gesicht verdunkelte. Ihre Damen
bemerkten wohl ihren finsteren Blick, doch sie sprach nie über ihre
Schmerzen; nie sank sie in ihrem hölzernen Stuhl zusammen oder lehnte
sich an die geschnitzte Rückenlehne oder stützte sich auch nur auf die
Armlehnen. Sie saß so, wie ihre Mutter es sie gelehrt hatte, aufrecht
wie eine Königin, mit hoch erhobenem Kopf, selbst wenn sie nur mit
zusammengekniffenen Augen ins schwache Kerzenlicht schauen konnte. Ich
erwähnte ihre Gebrechlichkeit gegenüber Jane Dormer, der besten
Freundin und Ehrendame Lady Marias, doch sie erwiderte, die von mir
beobachteten Schmerzen seien noch gar nichts. Wenn die monatliche
Heimsuchung nahte, werde Lady Maria von so heftigen Krämpfen geplagt,
als leide sie Geburtswehen, und nichts könne den Schmerz lindern.
»Was fehlt ihr?«, fragte ich.
Jane hob die Schultern. »Sie war schon als Kind so«, erwiderte
sie. »Immer schon schmächtig und zart. Doch als der König ihre Mutter
verstieß und Lady Maria verleugnete, war es, als ob er sie vergiftet
hätte: Sie litt unter unstillbarem Erbrechen, sie konnte nicht aus dem
Bett aufstehen und musste über den Boden kriechen. Gerüchten zufolge
war sie tatsächlich vergiftet worden, und zwar von dieser Hexe Boleyn.
Die Prinzessin war dem Tode nahe, und man erlaubte ihr nicht einmal,
ihre Mutter zu sehen. Die Königin konnte sie nicht besuchen kommen,
weil sie fürchten musste, dann nicht mehr an den eigenen Hof
zurückkehren zu dürfen. Diese Boleyn und der König haben beide
vernichtet, Mutter wie Tochter. Königin Katharina hielt durch, so lange
sie konnte, aber Krankheit und ein gebrochenes Herz brachten ihr den
Tod. Lady Maria hätte ebenso sterben können, wenn man bedenkt, was sie
erleiden musste – doch sie hat überlebt. Sie haben sie
gezwungen, ihrem Glauben abzuschwören, sie haben sie gezwungen, die Ehe
ihrer Mutter als nichtig anzuerkennen. Seit jener Zeit leidet sie unter
diesen furchtbaren
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