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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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dessen Anschrift ich nicht
preiszugeben wagte, sondern an John Dee. »Verehrter Herr Tutor«,
schrieb ich, um jeden Unbefugten, der den Brief öffnen mochte, auf eine
falsche Fährte zu locken, »dieses kleine Rätsel macht Euch hoffentlich
Freude.« Darunter setzte ich den verschlüsselten Text in Form eines
Schlangenkreises und hoffte, dass es aussähe wie die Art Spiel, das ein
Mädchen meines Alters seinem väterlichen Lehrer zu schicken pflegte.
Die Entschlüsselung lautete schlicht: »Sie geht nach Kenninghall.«
Darunter schrieb ich: »Was soll ich tun?«
    Die Wirtschafterin versprach, den Brief mit der morgigen
Kutsche nach Greenwich zu schicken; nun konnte ich nur noch hoffen,
dass er seinen Adressaten fand und von dem richtigen Mann gelesen
wurde. Dann stieg ich in ein kleines Rollbett, das neben dem
Küchenkamin aufgestellt worden war, und lag trotz meiner Erschöpfung
schlaflos im Schein der verlöschenden Flammen und überlegte fieberhaft,
wo ich Schutz finden könnte.
    Früh um fünf wurde ich jäh aus dem Schlaf gerissen, weil sich
der Küchenjunge mit scheppernden Wassereimern und Säcken voller
Holzscheite am Kopfende meines Lagers zu schaffen machte. Lady Maria
hörte in John Huddiestones Kapelle die Messe, als handele es sich um
einen erlaubten Gottesdienst, nahm ein leichtes Frühstück ein und saß
bereits um sieben Uhr wieder im Sattel. Frohen Mutes ließ sie Sawston
Hall hinter sich und ließ sich von John Huddiestone den weiteren Weg
weisen.
    Ich ritt am Schluss der kleinen Schar. Mein kleines Pony war
zu müde, um mit den großen Pferden Schritt zu halten. Urplötzlich nahm
ich einen altbekannten, schrecklichen Geruch wahr: Durch die Luft wehte
Rauch heran – irgendetwas brannte. Weder war es der Appetit
anregende Duft nach Fleisch auf dem Bratspieß noch der Geruch von
brennendem Herbstlaub. Ich nahm deutlich den Gestank der Häresie wahr,
ein Feuer, von unbarmherzigen Händen angezündet, ein Feuer, das eines
Menschen Glück verbrannte, seinen Glauben, sein Heim … Ich
drehte mich im Sattel um und erblickte am Horizont den Widerschein der
Flammen – Sawston Hall, das wir gerade erst verlassen hatten,
brannte lichterloh wie ein Fackel.
    »Mylady!«, rief ich erschreckt aus. Sofort wandte sie den Kopf
und kam mit John Huddiestone an ihrer Seite zu mir nach hinten geritten.
    »Euer Haus!«, sagte ich zu ihm.
    Zweifelnd schaute Sir Huddiestone zum Horizont, die Augen
zusammengekniffen. Er war unsicher, konnte den Rauchgeruch nicht so
deutlich wahrnehmen wie ich. Lady Maria schaute mich an. »Bist du
sicher, Hannah?«
    Ich nickte. »Ich kann es riechen. Ich rieche den Rauch.« Meine
Stimme zitterte vernehmlich. Ich hatte bereits eine Hand an der Wange,
um die Rußteilchen fortzuwischen, die, so glaubte ich, auf mich
niederregneten. »Ich kann den Rauch riechen. Euer Haus wird
niedergebrannt, Sir.«
    Er wandte sein Pferd, nur in Gedanken an die Seinen. Da fiel
ihm wieder die edle Dame ein, deren Besuch ihn Heim und Vermögen
gekostet hatte. »Vergebt mir, Lady Maria. Ich muss
heimreiten … Meine Frau …«
    »Reitet«, erwiderte sie sanft. »Und seid versichert: Wenn ich
zu meinem Recht komme, werde ich an Euch denken. Ihr sollt ein anderes
Haus haben, ein größeres und prächtigeres als dieses, weil Ihr mir die
Treue gehalten habt. Ich werde es Euch nicht vergessen.«
    Sir Huddiestone nickte, halb tot vor Sorge, riss sein Pferd
herum und sprengte im Galopp davon, hin zum glühenden Widerschein am
Horizont, wo sein Heim gestanden hatte. Sein Pferdeknecht lenkte sein
Tier an Lady Marias Seite und zog ehrerbietig seine Kappe. »Wollt Ihr,
dass ich Euch führe, Mylady?«
    »Ja«, erwiderte sie. »Kannst du mich nach Bury St. Edmunds
bringen?«
    Der Mann setzte seine Kappe wieder auf. »Durch den Wald
zwischen Mildenhall und Thetford? Ja, Mylady.«
    Lady Maria gab das Signal zum Weiterreiten und setzte ihren
Weg fort, ohne sich noch einmal umzuschauen. Ihre Haltung war in der
Tat königlich: Sie sah ihr Refugium der letzten Nacht niederbrennen und
dachte ausschließlich an den vor ihr liegenden Kampf.
    In dieser Nacht fanden wir Unterschlupf in Euston Hall in der
Nähe von Thetford. Ich lag im Schlafgemach meiner Herrin auf dem Boden,
eingewickelt in meinen Umhang und vollständig bekleidet, in Erwartung
des sicheren Alarms. Alle meine Sinne waren angespannt; ich lauschte
auf dumpfe Tritte, spähte nach Feuerschein und wartete auf den Gestank
einer brennenden Pechfackel. Ich wagte kaum,

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