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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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tragt Eure eigenen Schuhe«, flehte ich. »Ich bin schon
einmal geflüchtet, ich weiß, wie das ist. In geliehenen Schuhen kommt
man nirgends hin.«
    Darüber musste sie lächeln. »Beeil dich«, sagte sie.
    Ich rannte mit den zwei Schillingen wieder nach oben. Danach
ging ich zu Tom, John Huddiestones Reitknecht, und schickte ihn in den
Stall, um die Pferde zu satteln. Danach schlich ich mich in die
Backstube vor der Küchentür und fand wie erhofft eine Ladung Brötchen,
die während der Nacht in der Restglut des Ofens gebacken worden waren.
Ich stopfte mir ungefähr ein halbes Dutzend in Hosen- und
Jackentaschen, bis ich aussah wie ein Esel mit Tragekörben, dann eilte
ich zurück in die Halle.
    Dort wartete bereits Lady Maria, gekleidet wie eine
Dienstmagd, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Der Pförtner weigerte
sich, einer Bediensteten die Stalltür zu öffnen. Als Lady Maria meinen
leichten Schritt auf den Fliesen hörte, wandte sie sich erleichtert um.
    »Nun helft uns schon«, sagte ich beschwichtigend zu dem
Pförtner. »Sie ist eine Dienstmagd John Huddiestones, sein Reitknecht
wartet schon. Er hieß uns, im ersten Tageslicht loszureiten. Wir müssen
nach Sawston Hall zurück, und wenn wir uns verspäten, werden wir
ausgepeitscht.«
    Der Mann lamentierte über Besucher, die ein christliches Haus
mitten in der Nacht aufschreckten, sowie über Leute, die unbedingt in
aller Herrgottsfrühe abreisen mussten, doch dann öffnete er die Pforte,
und Lady Maria und ich schlüpften hinaus. Tom wartete bereits im Hof
und hielt die Pferde: einen mächtigen Hunter mit einem Sattelkissen auf
dem Rücken und ein kleineres Pferd für mich. Mein Pony musste ich
zurücklassen, der Ritt würde zu anstrengend werden.
    Der Reitknecht saß auf und lenkte den Hunter zum
Aufsteigeblock. Ich half Lady Maria, hinter ihm auf das Pferd zu
klettern. Sie schlang die Arme fest um seine Taille und verbarg ihr
Gesicht weiterhin unter der Kapuze. Auch ich musste den Aufsteigeblock
benutzen, denn der Steigbügel war für mich zu weit oben. Als ich auf
dem Pferderücken saß, schien der Boden weit, weit weg zu sein, überdies
tänzelte das Tier nervös. Ich machte den Fehler, die Zügel zu fest
anzuziehen, da warf es den Kopf nach hinten und bockte ein wenig. Nie
zuvor hatte ich so ein großes Tier geritten, ich hatte geradezu Angst
davor. Doch ein kleineres Pferd hätte die Strecke nicht bewältigt, die
wir heute schaffen mussten.
    Tom wendete sein Pferd und ritt vom Hof. Mit wild klopfendem
Herzen folgte ich ihm – wieder einmal auf der Flucht, wieder
voller Angst. Vermutlich war meine Lage schlimmer als damals, schlimmer
als auf meiner Flucht durch halb Europa. Denn dieses Mal flüchtete ich
gemeinsam mit der englischen Thronprätendentin, verfolgt von Lord
Robert Dudley, dem ich doch Treue geschworen hatte! Ich war Lady Marias
treue Dienerin, dazu heimliche Jüdin, vorgebliche Christin, stand im
Dienst einer papistischen Prinzessin, und das in einem Land, das
erklärtermaßen protestantisch war! Kein Wunder, dass mir das Herz bis
zum Hals schlug, lauter als das Klappern der schweren Hufe unserer
mächtigen Pferde. Wir nahmen die Straße nach Osten und galoppierten auf
die aufgehende Sonne zu.
    Als wir Kenninghall gegen Mittag erreichten,
begriff ich, warum wir die Pferde bis zum Erlahmen geritten hatten. Im
Schein der hoch am Himmel stehenden Sonne erhob sich das befestigte
Herrenhaus mächtig und unbezwingbar aus der flachen, erbarmungslosen
Ebene. Es war ein solides, mit einem Wallgraben umgebenes Haus, und im
Näherkommen erkannte ich, dass es wahrlich kein Lustschloss war: Dieses
Gebäude besaß eine Zugbrücke mit Fallgatter, das bei Bedarf
heruntergelassen werden konnte und den Eingang versperrte. Das Haus
selbst war aus hübschen roten Ziegeln erbaut und wirkte auf den ersten
Blick nicht unbedingt wie eine Festung, die einer Belagerung
standhalten würde.
    Man hatte Lady Maria nicht erwartet, und die wenigen Diener,
die hier lebten, um das Haus in Ordnung zu halten, strömten nun
überrascht und unter Willkommenrufen aus dem Tor. Nachdem Lady Maria
mir mit einem Nicken die Erlaubnis erteilt hatte, verkündete ich hastig
die erstaunlichen Neuigkeiten aus London, während unsere Pferde in den
Stallhof geführt wurden. Vereinzelte Hochrufe erklangen, als ich Lady
Maria als nächste Anwärterin auf die Krone benannte, und man half mir
aus dem Sattel und klopfte mir auf die Schultern, als sei ich
tatsächlich ein wackerer Bursche.

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