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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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lieber unter der Bettdecke versteckte, als an die Seite
ihrer Schwester zu eilen, war sowohl ein Schlag gegen Marias Gefühle
als auch gegen ihre Ziele.
    Wir erfuhren, dass Windsor Castle befestigt und für den Fall
einer Belagerung mit Proviant versehen worden war, dass die Geschütze
im Tower von London kampfbereit auf das Landesinnere gerichtet waren
und dass Königin Jane die königlichen Gemächer im Tower bezogen hatte
und angeblich jede Nacht das große Tor verschließen ließ, damit kein
Mitglied ihres Hofstaates entfliehen konnte: eine eingesperrte Königin
in einem belagerten Reich.
    Northumberland, der kampferprobte Veteran, hatte selbst ein
Heer aufgestellt und trachtete danach, Lady Maria aufzuspüren, die nun
öffentlich als Verräterin an Königin Jane bezeichnet wurde. »Königin
Jane, fürwahr!«, rief Jane Dormer gereizt aus. Der Kronrat hatte Lady
Marias Verhaftung unter Anklage des Hochverrats angeordnet, auf ihren
Kopf war ein Preis ausgesetzt. Sie stand allein da in ganz England. Sie
war eine Rebellin gegen eine proklamierte Königin, sie hatte sich
jenseits aller Gesetze gestellt. Nicht einmal ihr Onkel, der spanische
Kaiser, konnte ihr noch helfen.
    Niemand wusste, wie viele Truppen Northumberland befehligte,
niemand wusste, wie lange wir auf Framlingham durchhalten konnten.
Northumberland würde sich mit Lord Roberts Kavallerie vereinigen und
gemeinsam würden sie gegen Lady Maria losschlagen – gut
ausgebildete, gut bezahlte, kampferprobte Soldaten gegen eine Frau und
ein konfuses Heer Freiwilliger.
    Und doch kamen jeden Tag mehr Männer aus der nahen Gegend und
schworen, sie würden für die rechtmäßige Königin kämpfen. Unter den
Matrosen auf den in Yarmouth ankernden Kriegsschiffen, die gegen jedes
zur Rettung Lady Marias geschickte spanische Schiff losschlagen
sollten, war eine Meuterei gegen die Offiziere ausgebrochen. Die
Seeleute waren der Meinung, Maria dürfe das Land nicht verlassen,
nicht, weil sie ihre Flucht verhindern wollten, sondern weil sie ihrer
Meinung nach auf den Thron gehörte. Sie gingen von Bord und
marschierten landeinwärts, um uns zu Hilfe zu kommen: eine taugliche,
kampfgestählte Truppe. In Reih und Glied marschierten sie auf die
Festung zu, wobei sie ein ganz anderes Bild abgaben als unsere
Bauernhorde. Sogleich begannen die Matrosen den in der Burg
versammelten Männern Unterricht in der Kriegsführung zu erteilen:
Angriff, Ausweichmanöver, Rückzug. Ich sah sie ankommen, ich sah, wie
sie sich einlebten, und zum ersten Mal glaubte ich, dass Lady Marias
Rebellion eine Chance hatte.
    Sie bestimmte einen Almosenier, der Wagen ausschickte, auf
denen Verpflegung für das rasch wachsende Heer herangekarrt wurde, denn
mittlerweile war die Burg von einem riesigen Heerlager umgeben. Sie
stellte eine Maurermannschaft zusammen, die den breiten Zwischenwall
verstärkte. Sie schickte Trupps aus, deren Aufgabe im Auftreiben neuer
Waffen bestand. In der Abenddämmerung und im Morgengrauen wurden Späher
ausgeschickt, die das Vorrücken der Dudleyschen Streitkräfte beobachten
sollten.
    Jeden Morgen schritt Lady Maria ihre Heerscharen ab und dankte
ihnen und versprach handfestere Belohnung, wenn sie treu zu ihr stehen
und die Befestigungslinien halten würden. Jeden Nachmittag wanderte sie
über die Festungsmauer an dem mächtigen Zwischenwall entlang, der die
uneinnehmbare Festung umgab, und blickte auf die Straße nach London.
Sie hielt Ausschau nach der verräterischen Staubwolke, die das
Herannahen des mächtigsten Mannes von England an der Spitze seiner
Armee anzeigen würde.
    Viele Ratgeber warnten Lady Maria, dass sie eine Schlacht
gegen den Herzog niemals gewinnen könne. Oft hörte ich diesen
überzeugten Voraussagen zu und fragte mich, ob es nicht besser wäre,
mich vor einer Schlacht, die nur mit unserer Niederlage enden konnte,
aus dem Staub zu machen. Der Herzog hatte bereits ein gutes Dutzend
Gefechte hinter sich, er hatte gekämpft und sowohl auf dem Schlachtfeld
als auch im Kabinett seine Macht bewiesen. Er hatte einen Pakt mit
Frankreich geschlossen und würde uns – falls er nicht ohnehin
vorher siegte – französische Truppen auf den Hals hetzen. Dann
würden Engländer unter den Schwertern von Franzosen fallen, Franzosen
würden auf englischem Boden kämpfen, und alles wäre Lady Marias Schuld.
Der Schrecken der Rosenkriege, in denen Bruder gegen Bruder gekämpft
hatte, würde einmal mehr auferstehen, wenn Lady Maria kein Einsehen
hatte und sich

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