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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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war.
    Drei Tage weilten wir in Kenninghall und
richteten uns auf eine Belagerung ein, doch Lord Robert und seine
Mannen ließen sich nicht blicken. Die Landjunker aus den umliegenden
Gutshäusern kamen in Scharen mit ihren Dienern und Verwandten. Manche
waren bewaffnet, manche wurden von Schmieden begleitet, welche die
mitgebrachten Heckensicheln, Schaufeln und Sensen an Ort und Stelle zu
Lanzen und Speeren umarbeiteten. Lady Maria rief sich in ihrer großen
Halle selbst zur Königin aus, entgegen dem Ratschlag vorsichtigerer
Männer und sich hinwegsetzend über einen Brief des spanischen
Botschafters. Dieser hatte geschrieben, ihr Bruder sei tot und
Northumberland unbesiegbar. Sie solle besser mit dem Lordprotektor in
Verhandlungen treten, während ihr Onkel in Spanien sein Bestes tun
werde, um sie vor der erfundenen Anklage des Hochverrats und dem
sicheren Todesurteil zu retten. Dieser Teil des Briefes ergrimmte Ihre
Gnaden bereits heftig, doch es war noch nicht das Schlimmste.
    Der Gesandte teilte ihr mit, dass Northumberland Kriegsschiffe
in die französische See nahe Norfolk geschickt habe, um die spanischen
Schiffe daran zu hindern, sie aufzunehmen und in Sicherheit zu bringen.
Es gab kein Entkommen, der Kaiser durfte nicht einmal den Versuch zu
ihrer Rettung unternehmen. Sie solle sich dem Herzog friedlich
unterwerfen und auf die Krone verzichten, sich seiner Gnade ausliefern.
    »Kannst du etwas für mich sehen, Hannah?«, fragte sie mich
früh am Morgen, als sie aus der Messe kam, den Rosenkranz noch in der
Hand, die Stirn von Weihwasser benetzt. An diesem Morgen ging es ihr
schlecht: Ihr Gesicht, nun des Öfteren von Hoffnung erleuchtet, sah
heute nur grau und müde aus. Es war die Angst, die sie krank machte.
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich habe nur einmal etwas für Euch
gesehen, Euer Gnaden: Damals war ich sicher, Ihr würdet Königin werden.
Und nun seid Ihr Königin. Seitdem habe ich nichts mehr gesehen.«
    »Tatsächlich, nun bin ich Königin«, bemerkte sie trocken.
»Zumindest habe ich mich selbst zur Königin ernannt. Hättest du mir
doch besser gesagt, wie lange ich Königin sein werde und ob
irgendjemand damit einverstanden ist.«
    »Ich wünschte, ich könnte es«, erwiderte ich ehrlich. »Was
sollen wir denn nun tun?«
    »Sie empfehlen mir, mich zu unterwerfen«, bekannte sie
freimütig. »Die Berater, denen ich mein ganzes Leben lang vertraut
habe – meine Verwandten in Spanien, die einzigen Freunde
meiner Mutter – alle sagen sie mir, dass ich hingerichtet
werde, wenn ich dieses Ziel weiterverfolge, dass es ein Kampf ist, den
ich nicht gewinnen kann. Dem Herzog untersteht der Tower, ihm
untersteht London, das Land, die Kriegsschiffe auf See, ein Heer von
Gefolgsmännern und die königliche Garde. Mit der Macht über die
Münzanstalt besitzt er sämtliches Münzgeld des Landes, und im Tower
stehen ihm sämtliche Waffen zur Verfügung. Ich hingegen besitze nur
diese eine Burg, dieses eine Städtchen und diese wenigen Getreuen mit
ihren Heugabeln. Und irgendwo dort draußen lauert Lord Robert mit
seinen Truppen auf uns.«
    »Können wir nicht fliehen?«, fragte ich.
    Sie schüttelte den Kopf. »Nicht weit genug und nicht schnell
genug. Wenn ich es zu einem spanischen Kriegsschiff geschafft hätte,
dann vielleicht … aber der Herzog hält die See von hier bis
Frankreich mit englischen Schiffen besetzt, er hat sich vorbereitet und
ich nicht. Und nun sitze ich in der Falle.«
    John Dees Landkarte im Studierzimmer des Herzogs fiel mir ein.
All die kleinen Spielfiguren, die Soldaten und Matrosen auf Schiffen
rund um Norfolk symbolisiert hatten – und Lady Maria, die in
der Mitte eingekesselt war.
    »Werdet Ihr Euch ergeben müssen?«, flüsterte ich.
    Ich dachte, sie hätte Angst, doch als Antwort auf meine Frage
stieg ihr das Blut in die Wangen, und sie lächelte, als hätte ich von
einer Herausforderung gesprochen, einem gewagten Spiel. »Verdammt soll
ich sein, wenn ich das tue!«, fluchte sie. Dann lachte sie laut, als
ginge es um eine Turnierwette und nicht um ihr Leben. »Mein Leben lang
bin ich weggelaufen, habe gelogen, habe mich verstecken müssen. Einmal,
nur einmal möchte ich unter meiner eigenen Standarte reiten und den
Männern trotzen, die mich verraten haben, die mir mein Recht versagt
und die Autorität der Kirche geleugnet haben – ja, die Gott
selbst leugnen!«
    Ich spürte, wie angesichts ihrer Begeisterung mein Mut wuchs.
»Myla… Euer Gnaden!«, stammelte ich.
    Sie

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