Die Hofnärrin
flammende Rot ihrer Haare
zu unterstreichen, die sie unter der grünen Haube offen trug, als
wollte sie ihre Jugend und Reinheit neben der älteren altjüngferlichen
Schwester betonen. Grün und Weiß waren die Tudor-Farben ihres Vaters,
und niemand, der ihre gewölbten Augenbrauen und das rote Haar gewahrte,
konnte über ihre Abkunft Zweifel hegen. Die Männer, die neben ihr
ritten, waren zweifelsohne ihres Aussehens wegen ausgewählt worden, da
war keiner unter ihnen, der nicht bemerkenswert gut aussah. Die
Hässlicheren ritten weiter hinten, wohl verteilt in Elisabeths Gefolge.
Bei den Damen war es genau umgekehrt: Keine von ihnen vermochte
Elisabeth zu überstrahlen – ein kluger Schachzug, der jedoch
typisch war für eine überaus kokette Frau. Sie ritt einen weißen
Wallach, ein riesiges Tier, fast so groß wie das Schlachtross eines
Kriegers, und thronte im Sattel, als wäre sie dort geboren, als bereite
es ihr größtes Vergnügen, die Kraft des Tieres zu bezwingen. Sie
strahlte vor Gesundheit und Jugend und Vitalität, sie strahlte den
Glanz des Erfolges aus. Gegen dieses Strahlen verblasste Lady Maria,
die von der Anspannung der letzten Monate ausgezehrt war.
Lady Elisabeths Gefolge hielt vor uns, und Lady Maria machte
Anstalten, vom Pferd zu steigen. In diesem Augenblick sprang Elisabeth
vom Pferd, als hätte sie ihr Leben lang auf diesen Moment gewartet, als
hätte sie niemals im Bett vor sich hin geschmollt, Nägel gekaut und vor
der Zukunft gezittert. Als Lady Maria ihre Schwester sah, hellte sich
ihre Miene auf wie die einer liebenden Mutter. Sicherlich war der
Anblick einer stolzen Elisabeth zu Pferde etwas, das ihre Schwester mit
reiner, selbstloser Freude erfüllte. Lady Maria streckte ihr die Arme
entgegen, Elisabeth stürzte sich hinein, und Lady Maria küsste sie
herzlich. Einen Augenblick lang hielten sie einander umarmt, forschten
in ihren Mienen, und als Elisabeths strahlender Blick Marias ehrlichen
Augen begegnete, wusste ich, dass meine Gebieterin nicht die Fähigkeit
besaß, hinter dem sagenhaften Charme die darunter verborgene Täuschung
zu erkennen.
Lady Maria wandte sich nun Elisabeths Damen zu, reichte ihnen
die Hände und küsste jede auf die Wange zum Dank, dass sie bei
Elisabeth geblieben waren und uns einen so herzlichen Empfang in London
bereitet hatten. Lady Maria nahm Elisabeths Hand unter ihren Arm und
schaute ihr wieder gespannt ins Gesicht. Es konnte kein Zweifel
bestehen, dass Elisabeth wieder gesund war, sie strahlte geradezu vor
Energie, aber ich hörte ein paar gewisperte vertrauliche Mitteilungen
über Elisabeths Mattigkeit, über ihren geschwollenen Leib, über
Kopfschmerzen und über die geheimnisvolle Krankheit, die sie ans Bett
gefesselt hatte, sodass sie nicht reisen konnte. Lady Maria dagegen
hatte allein gegen ihre Angst angekämpft, hatte das Land zu den Waffen
gerufen und sich darangemacht, um den Thron zu kämpfen.
Elisabeth hieß ihre Schwester in der Stadt willkommen und
gratulierte ihr zu ihrem großen Sieg. »Ein Sieg der Herzen«, sagte sie.
»Ihr seid die Königin der Herzen unseres Volkes, und dies ist die
einzige Art, dieses Land zu regieren.«
»Unser Sieg«, beeilte sich die großzügige Lady Maria zu
versichern. »Northumberland hätte uns beide dem Tode überantwortet,
dich genauso wie mich. Ich habe uns beiden das Recht erstritten, unser
Erbe anzutreten. Du wirst als Prinzessin und meine Schwester wieder in
die Erbfolge eingesetzt, und du wirst an meiner Seite in die Stadt
einreiten.«
»Euer Gnaden erweisen mir zu viel Ehre«, sagte Elisabeth
bescheiden.
»In der Tat«, zischte Jane Dormer mir zu. »Diese schlaue Hexe!«
Lady Maria gab das Zeichen zum Aufsitzen. Elisabeth wandte
sich ihrem Pferd zu, neben dem ein Reitknecht bereitstand, der ihr
hinaufhelfen sollte. Sie lächelte in die Runde – dann sah sie
mich, im Herrensitz zu Pferde und in meiner Pagenlivree. Doch ihr Blick
glitt vollkommen uninteressiert über mich hinweg. Sie erkannte in mir
nicht das Kind, das sie vor so langer Zeit mit Tom Seymour im
Palastgarten gesehen hatte.
Doch mich interessierte sie brennend. Seit unserer ersten
Begegnung, seit ich sie gesehen hatte, an einen Baum gepresst wie eine
gemeine Dirne, war sie mir nicht aus dem Sinn gegangen. Es gab etwas an
ihr, das mich absolut faszinierte. Als ich sie zum ersten Mal gesehen
hatte, hatte sich mir das Bild eines sehr törichten Mädchens
eingeprägt: eine kokette, pflichtvergessene Tochter. Doch
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