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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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wäre, würde er meinen Kopf so
lange an die Wand schlagen, bis mein Hirn herausfiele. Sie brachten
mich dazu, meine Mutter zu verleugnen und meinen Glauben, sie drohten
mir mit dem Tod auf dem Schafott wie Thomas More und Bischof
Fisher – Männer, die ich gekannt und geschätzt hatte. Ich war
ein junges Mädchen von zwanzig, und sie brachten es zuwege, dass ich
mich als Bastard bezeichnete und meinen Glauben als Häresie.
    Und dann plötzlich, eines schönen Sommertages, war Anna tot,
und alle redeten nur noch von Königin Jane und ihrem Sohn Eduard, und
die kleine Elisabeth war nicht länger meine Rivalin, sondern ein
mutterloses Kind, eine vergessene Tochter wie ich. Dann begann die
Prozession der Königinnen …« Fast hätte sie gelächelt. »Eine
nach der anderen traten drei Frauen auf mich zu, und man hieß mich, vor
jeder von ihnen das Knie zu beugen, weil sie Königin war, und sie
Mutter zu nennen, obwohl keine von ihnen meinem Herzen nahestand.
Während dieser langen Zeit lernte ich, niemandem mehr zu trauen, und
schon gar nicht einer Frau. Die letzte Frau, die ich geliebt habe, war
meine Mutter. Der letzte Mann, dem ich vertraut habe, war mein Vater.
Und mein Vater vernichtete meine Mutter, und sie starb an gebrochenem
Herzen … Werde ich jemals wieder einem Menschen Vertrauen
schenken können?«
    Sie hielt inne und sah mich an. »Mein Herz brach, als ich kaum
älter war als zwanzig«, sagte sie nachdenklich. »Und erst jetzt fange
ich an zu glauben, dass ein Leben vor mir liegt.«
    Nun lächelte sie tief bewegt. »Oh Hannah!« Sie seufzte und
tätschelte meine Wange. »Sieh nicht so besorgt drein! All dies ist
lange her, und wenn wir bei diesem Abenteuer triumphieren, wird meine
Geschichte ein glückliches Ende finden. Ich werde auf dem Thron meiner
Mutter sitzen, ich werde ihren Schmuck tragen. Ich werde dafür sorgen,
dass ihr Andenken geehrt wird, und sie wird aus dem Himmel
herunterschauen und ihre Tochter auf dem Thron sehen, den sie mir
vererbte. Ich glaube, ich werde eine sehr glückliche Frau sein.
Verstehst du?«
    Ich lächelte gequält.
    »Was ist?«, fragte sie.
    Ich schluckte, immer noch plagte mich die trockene Kehle. »Ich
habe Angst«, gestand ich. »Es tut mir leid.«
    Lady Maria nickte verständnisvoll. »Wir alle haben Angst«, gab
sie freimütig zu. »Auch ich. Geh jetzt, such dir im Stall ein Pferd aus
und zieh Reitstiefel an. Wir sind ein Heer und ziehen heute in den
Kampf. Gott gebe, dass wir Framlingham erreichen, ohne vorher Lord
Robert und seiner Streitmacht zu begegnen.«
    Maria pflanzte ihre Standarte in Framlingham
Castle auf, einer der stärksten Festungen in ganz England, und
erstaunlicherweise erschien die halbe Welt, ob zu Pferde oder zu Fuß,
um ihr Gefolgschaft zu schwören. Ich war an ihrer Seite, als sie die
versammelten Truppen abschritt und ihnen dankte, dass sie gekommen
waren. Sie vergaß nicht zu versichern, dass sie ihnen eine gute und
ehrliche Königin sein werde.
    Endlich erreichte uns Nachricht aus London. König Eduards Tod
war mit beschämender Verspätung verkündet worden. Nachdem der arme
Junge gestorben war, hatte der Herzog den Leichnam in seinen Gemächern
versteckt gehalten, während die Tinte noch auf dem Testament trocknete,
und die mächtigen Herren des Landes noch überlegten, auf wessen Seite
sie sich schlagen sollten. Lady Jane Grey musste von ihrem
Schwiegervater förmlich auf den Thron gezerrt werden. Es hieß, sie habe
bitterlich geweint und gesagt, sie könne nicht Königin werden, die
rechtmäßige Nachfolgerin sei Lady Maria, wie jeder wisse. Doch das
bewahrte sie nicht vor ihrem Schicksal. Sie spannten den Baldachin über
ihrem gebeugten Kopf, sie knieten trotz ihres tränenreichen Protests
vor ihr nieder, und der Herzog von Northumberland proklamierte sie zur
Königin und neigte sein verschlagenes Haupt vor ihr.
    Im Lande brach der Bürgerkrieg aus, der Krieg gegen uns, die
Verräter. Lady Elisabeth hatte nicht auf Lady Marias Warnungen
geantwortet, sie war nicht nach Framlingham gekommen. Als die Nachricht
vom Tode ihres Bruders sie erreichte, hatte sie sich ins Krankenbett
gelegt, zu schwach, um Briefe zu lesen. Als Lady Maria davon hörte,
wandte sie für einen Moment das Gesicht ab. Sie hatte auf Elisabeths
Unterstützung gebaut, hatte geglaubt, beide Prinzessinnen würden
gemeinsam das Erbe des Vaters verteidigen. Überdies hatte sie sich
verpflichtet, die junge Schwester zu beschützen. Festzustellen, dass
Elisabeth sich

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