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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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schenkte mir ein strahlendes Lächeln. »Warum nicht? Warum
sollte ich nicht einmal wie ein Mann kämpfen und ihnen trotzen?«
    »Aber habt Ihr Aussichten zu gewinnen?«
    Sie hob die Schultern in der Art, wie es nur eine Spanierin
vermag. »Oh! Wohl kaum!« Dann lächelte sie wieder, als wäre sie
wahrhaft glücklich über die verzweifelte Wahl, die vor ihr lag. »Ach,
Hannah, diese Männer, die mir nun eine Lady Jane aus dem gemeinen Volk
vor die Nase setzen wollen, haben mich furchtbar erniedrigt. Früher
haben sie Elisabeth vorgezogen. Ich musste meine kleine Schwester
bedienen, als wäre ich eines der Kindermädchen. Aber nun ist meine
Chance gekommen. Ich kann gegen sie kämpfen, anstatt mich vor ihnen zu
beugen. Ich kann im Kampf sterben, statt vor ihnen zu kriechen und um
mein Leben zu betteln. So gesehen habe ich gar keine andere Wahl. Und
ich danke Gott, denn es gibt keine bessere Wahl für mich, als meine
Standarte zu heben und um meines Vaters Thron und meiner Mutter Ehre zu
streiten, da sie mein Erbe sind. Und ich muss auch an Elisabeth denken.
Ihre Sicherheit liegt in meiner Hand, ich habe ihr ein Erbe
weiterzugeben. Sie ist meine Schwester, ich bin für sie verantwortlich.
Ich habe ihr geschrieben, sie solle zu mir kommen, damit sie in
Sicherheit ist. Ich habe ihr eine Zuflucht versprochen, und ich werde
um unser Erbe kämpfen.«
    Lady Maria ordnete die Perlen des Rosenkranzes in ihren
kurzen, kräftigen Händen, steckte sie in die Tasche ihres Kleides und
schritt auf die Tür der großen Halle zu, wo ihr Heer aus Edelleuten und
Soldaten soeben das Frühstück einnahm. Sie schritt bis zum Kopfende der
Tafel und bestieg ihren Thron unter dem Baldachin. »Heute ziehen wir
aus«, verkündete sie mit lauter und klarer Stimme, sodass auch der
letzte Mann in der Halle sie vernahm. »Wir reiten nach Framlingham,
nicht weiter als einen Tagesritt entfernt. Dort werde ich meine
Standarte aufstellen. Wenn wir vor Lord Robert dorthin kommen, können
wir eine Belagerung abwehren. Wir können ihn monatelang aufhalten. Von
Framlingham aus kann ich meinen Feldzug beginnen. Ich kann Truppen
sammeln.«
    In der Halle erhob sich erstauntes Gemurmel, das sich
allmählich in Zustimmung verwandelte.
    »Vertraut mir!«, rief sie. »Ich werde euch nicht enttäuschen.
Ich bin eure ernannte Königin, und ihr werdet mich auf dem Thron sehen,
und dann werde ich daran denken, wer am Anfang bei mir gewesen ist. Ich
werde daran denken, und ihr werdet um ein Vielfaches entlohnt werden,
weil ihr eure Pflicht der rechtmäßigen Königin von England gegenüber
erfüllt habt.«
    Tiefes zustimmendes Gebrumm ertönte – keine Mühe für
die Männer, die eben noch so gut gegessen hatten. Mir hingegen
zitterten die Knie ob Lady Marias Mut. Sie rauschte zurück zur Tür, und
ich hüpfte auf unsicheren Beinen vor ihr her, um ihr die Tür zu öffnen.
    »Und wo ist er?«, fragte ich. Es gab nur einen, nach dem ich
fragen konnte.
    »Oh, gar nicht weit weg«, antwortete Lady Maria grimmig.
»Südlich von King's Lynn, soviel ich gehört habe. Er muss aufgehalten
worden sein, denn er hätte längst hier sein und uns überrumpeln können.
Aber im Augenblick bekomme ich keine Nachricht. Ich weiß nicht, wo
genau er sich aufhält.«
    »Wird er erraten, dass wir nach Framlingham reiten?« Ich
dachte an meinen Brief, der Lord Robert inzwischen erreicht haben
musste, der Brief, in dem ich Lady Marias Aufenthaltsort verriet. Die
Spirale auf dem Papier erschien mir nun wirklich wie eine
zusammengerollte Schlange.
    Meine Herrin blieb einen Moment auf der Schwelle stehen und
schaute mich an. »Bei einer solchen Zusammenkunft gibt es immer einen
Menschen, der sich davonschleichen und es ihm verraten wird. Es gibt
stets einen Spion im eigenen Lager. Meinst du nicht auch, Hannah?«
    Einen Augenblick lang glaubte ich, sie hätte mir eine Falle
gestellt. Meine Lügen schnürten mir die Kehle zu, und ich war
totenblass geworden.
    »Ein Spion?«, krächzte ich, hob meine Hand an die Wange und
rieb mit aller Kraft.
    Lady Maria nickte. »Ich traue niemandem. Ich bin mir bewusst,
dass ich stets von Spionen umgeben bin. Wenn du aufgewachsen wärst wie
ich, würdest du diese Lektion auch gelernt haben. Nachdem mein Vater
meine Mutter weggeschickt hatte, versuchte meine ganze Umgebung mich
davon zu überzeugen, dass Anna Boleyn die rechtmäßige Königin sei und
ihr kleiner Bastard die rechtmäßige Thronfolgerin. Der Herzog von
Norfolk sagte mir, wenn er mein Vater

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