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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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aus. Aber niemand bekommt sie wirklich zu
Gesicht. Sie hält sich meistens in ihrem Zimmer auf und kommt nur
heraus, wenn es sein muss. Niemand spricht mit ihr, die Frauen sind
sehr unhöflich zu ihr. Alle sagen, ihre Krankheit ist nichts als Neid.«
    Er schüttelte den Kopf über so viel kleinlichen Weibergroll.
»So viel Ungemach, und dennoch muss das arme Mädel Rosenkranz und
Messbuch nehmen und zur Messe gehen!«
    »Sie ist kein armes Mädel«, sagte ich beleidigt. »Die Hofdamen
der Königin behandeln sie zwar schlecht, doch das ist ihre eigene
Schuld. Übrigens spricht sie nur dann mit schwacher Stimme und lässt
den Kopf hängen, wenn sie Zeugen dafür hat. Und zur Messe müssen wir
alle, und zwar jeden Tag. Sieben Mal am Tag wird in der Kapelle der
Königin die Messe gelesen, und alle gehen mindestens zweimal am Tag
hin.«
    Lord Robert grinste belustigt über die rasche Wendung des
englischen Hofes zur Frömmigkeit. »Und Lady Jane? Soll sie wirklich
nicht wegen Hochverrats hingerichtet werden?«
    »Die Königin wird niemals ihre eigene Cousine, eine so junge
Frau, hinrichten lassen«, versicherte ich ihm. »Sie soll eine Zeit lang
als Gefangene im Tower bleiben, und dann, wenn die Dinge sich beruhigt
haben, freigelassen werden.«
    Er verzog das Gesicht. »Ein großes Wagnis, das die Königin da
eingeht. Wäre ich ihr Berater, so würde ich ihr sagen, sie soll ein
Ende machen, sie soll ein Ende mit uns allen machen.«
    »Sie weiß, dass Jane keine Thronprätendentin ist. Es wäre
grausam, Lady Jane zu bestrafen, und Grausamkeit liegt nicht in Königin
Marias Natur.«
    »Und das Mädchen war erst sechzehn«, sprach Lord Robert halb
zu sich selbst. Nachdenklich stand er auf, hatte meine Gegenwart schon
fast vergessen. »Ich hätte es aufhalten sollen«, sann er weiter. »Ich
hätte Lady Jane aus den Machenschaften meines Vaters heraushalten
sollen …«
    Er schaute aus dem Fenster in den dunklen Hof hinunter, wo
sein Vater hingerichtet worden war, der um Gnade gebettelt hatte, und
Jane, ja sogar seinen Sohn, dem Henker ausgeliefert hätte, wenn er nur
begnadigt worden wäre. Als er vor dem Richtblock niederkniete, war die
Binde von seinen Augen gerutscht. Er hatte sie wieder hochgezogen und
war auf Händen und Knien zum Block gekrochen, hatte den Henker
angefleht zu warten, bis er bereit wäre. Es war ein jämmerliches Ende,
jedoch nicht so jämmerlich wie der Tod, den der junge unschuldige König
erlitten hatte, der in des Herzogs Obhut gegeben worden war.
    »Ich war ein Narr«, sagte Robert bitter. »Blind vor Ehrgeiz.
Ich bin überrascht, dass du es nicht vorausgesehen hast,
Kind – die himmlischen Heerscharen müssen sich ja vor Lachen
gebogen haben über die Anmaßung der Dudleys. Ich wünschte bei Gott, du
hättest mich rechtzeitig gewarnt.«
    Ich erhob mich. »Ich wünschte, ich hätte es getan«, sagte ich
traurig. »Ich hätte alles getan, um Euch vor diesem Kerker zu bewahren.«
    »Und soll ich hier schmachten, bis ich verfaule?«, fragte er
leise. »Sieht so meine Zukunft aus? In manchen Nächten höre ich die
Ratten über den Boden huschen und denke, dies ist alles, was ich in
meinem Leben noch hören werde. Dieses kleine blaue Himmelsrechteck im
Zellenfenster ist alles, was ich noch von der Welt sehen werde. Sie
wird mir zwar nicht den Kopf abschlagen, aber sie wird mich mundtot
machen.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich habe gespannt gelauscht, und
einmal habe ich direkt gefragt. Sie sagte, sie wolle kein Blut mehr
vergießen, sie wolle Schonung walten lassen. Sie wird Euch nicht
hinrichten lassen, und sobald Lady Jane ihre Freiheit wiedererhält,
muss sie auch Euch freilassen.«
    »An ihrer Stelle würde ich das nicht tun«, sagte er gelassen.
»Wenn ich sie wäre, würde ich danach trachten, sowohl Elisabeth als
auch Jane sowie meinen Bruder und mich loszuwerden, alsdann würde ich
Maria Stuart zu meiner Nachfolgerin bestimmen, obschon sie
französisches Blut in sich trägt. Die wäre ein sauberer Schnitt und der
einzige Weg, dieses Land dauerhaft in die Kirche des Papstes
zurückzuführen. Auch Maria wird das bald einsehen. Sie muss uns
ausrotten, sie muss diesen Stamm protestantischer Verschwörung mit der
Wurzel ausreißen. Wenn sie es nicht tut, muss sie einen Kopf nach dem
anderen rollen lassen, dabei jedoch zusehen, wie für einen
abgeschlagenen Kopf zehn neue wachsen.«
    Ich ging durch den Kerker und stellte mich hinter ihn.
Schüchtern legte ich ihm eine Hand auf die Schulter. Er

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