Die Hofnärrin
getan«, gab ich ihm zu
verstehen.
»Ich glaube dir nicht«, sagte er in ebenso kaltem Ton. »Wenn
du dich ehrenhaft verhalten hast, dann nur, weil du keine Gelegenheit
hattest, zu sündigen.«
»Hurensohn«, sagte ich so leise, dass er es nicht hören
konnte. Schweigend begleitete er mich heim, und wir verabschiedeten uns
vor der Tür mit einem Händeschütteln, das weder vetterlich noch
herzlich war. Ich sah ihm nach und hätte ihm am liebsten ein schweres
Buch an den Kopf geworfen. Dann ging ich hinein zu meinem Vater, in
Gedanken vertieft, wie lange es wohl dauern würde, bis Daniel uns
erneut aufsuchte, um zu sagen, dass er unser Verlöbnis lösen wolle, und
was danach mit mir geschehen würde.
Als Hofnärrin der Königin wurde von mir
erwartet, stets in ihren Gemächern an ihrer Seite zu sein. Doch sobald
ich für eine Stunde abwesend sein konnte, ohne Aufmerksamkeit zu
erregen, nutzte ich die Gelegenheit und begab mich zu den alten
Gemächern der Dudleys, um nach John Dee zu suchen. Ich klopfte, und ein
Mann in einer unbekannten Livree öffnete und schaute mich argwöhnisch
an.
»Ich dachte, hier lebt der Hofstaat der Dudleys«, sagte ich
schüchtern.
»Nicht mehr«, fertigte er mich ab.
»Wo kann ich sie denn finden?«
Er hob die Schultern. »Die Herzogin hat Gemächer in der Nähe
der Königin bezogen. Ihre Söhne sitzen im Tower. Und ihr Gemahl schmort
in der Hölle.«
»Und der Tutor?«
Er zuckte die Achseln. »Ist fort. Zurück in seines Vaters
Haus, nehme ich an.«
Ich nickte und begab mich wieder in die Gemächer der Königin,
setzte mich auf ein kleines Kissen zu ihren Füßen. Ihr kleiner Hund,
ein Greyhound, saß auf einem ähnlichen Kissen, und so hockten wir beide
da und starrten mit dem gleichen braunäugigen, verständnislosen Blick
vor uns hin, während die Höflinge unter Verbeugungen kamen und gingen
und um Land und Stellungen und Zuwendungen baten. Manchmal tätschelte
die Königin ihr Hündchen, manchmal mich, und Hund und ich blieben stumm
und verschwiegen unsere Meinung über diese frommen Katholiken, welche
die leuchtende Fackel ihres Glaubens so wunderbar lange zu verbergen
gewusst hatten. Während sie sich öffentlich zum Protestantismus bekannt
hatten, während sie Katholiken auf dem Scheiterhaufen sterben sahen,
hatten sie auf diesen Augenblick gewartet wie Narzissen auf die
Osterzeit, um mit einem Mal aufzublühen. Wie viele Katholiken es doch
gab in diesem Lande, und bis heute hatte niemand davon gewusst!
Als alle gegangen waren, schritt die Königin zu einer
Fensternische, wo wir ungestört waren, und winkte mich zu sich heran.
»Hannah?«
»Ja, Euer Hoheit?« Ich eilte an ihre Seite.
»Ist es nicht an der Zeit, dass du diese Pagenlivree ablegst?
Bald bist du eine Frau.«
Ich zögerte mit der Antwort. »Wenn Ihr es gestattet, Euer
Gnaden, würde ich lieber weiter als Page gekleidet gehen.«
Sie schaute mich neugierig an. »Sehnst du dich nicht nach
einem schönen Kleid und langem Haar, Kind? Willst du keine junge Frau
sein? Ich wollte dir nämlich zu Weihnachten ein Kleid schenken.«
Ich erinnerte mich, wie meine Mutter mein schwarzes Haar zu
Zöpfen geflochten hatte, wie sie einen Zopf um ihren Finger geschlungen
und mir prophezeit hatte, ich würde eine Schönheit werden, eine Frau,
die man ihrer Schönheit wegen rühmen würde. Ich erinnerte mich, wie sie
mich für meine Liebe zu teurem, kostbarem Tuch gescholten hatte und wie
ich zum Chanukka-Fest um ein grünes Samtkleid gebettelt hatte.
»Ich habe meine Liebe zu weiblichem Putz verloren, als ich
meine Mutter verlor«, antwortete ich leise. »Ohne sie macht es mir
keine Freude, Kleider auszuwählen und anzuprobieren, denn sie wusste
immer, was mir steht. Ich möchte nicht einmal langes Haar haben, da sie
nicht mehr da ist, um es zu Zöpfen zu flechten.«
Ihr Gesicht wurde weich. »Wann ist sie gestorben?«
»Als ich elf Jahre alt war«, log ich. »An der Pest.« Niemals
hätte ich gewagt, die Wahrheit zu sagen – dass sie als
Ketzerin verbrannt worden war –, nicht einmal dieser Königin,
die mich so ernst und mitfühlend anschaute.
»Armes Kind«, sagte sie sanft. »Dies ist ein Verlust, den du
niemals vergessen wirst. Du kannst lernen, es zu ertragen, aber
vergessen wirst du es nie.«
»Jedes Mal, wenn mir etwas Gutes geschieht, möchte ich es ihr
sagen. Jedes Mal, wenn etwas Schlimmes passiert, will ich sie um Hilfe
bitten.«
Königin Maria nickte. »Ich pflegte meiner Mutter zu schreiben,
obwohl
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