Die Hofnärrin
wandte sich um
und sah mich an, als hätte er meine Anwesenheit völlig vergessen. »Und
du?«, fragte er sanft. »Bist du nun wohlbehalten in königlichen
Diensten?«
»Ich bin niemals in Sicherheit«, gab ich ihm mit gedämpfter
Stimme zu verstehen. »Ihr wisst, warum. Ich kann niemals gut aufgehoben
sein. Ich liebe die Königin, und niemand fragt, wer ich bin oder woher
ich stamme. Es ist, als wäre ich mein ganzes Leben lang bei ihr
gewesen. Daher sollte ich mich nun sicher fühlen, aber mir ist immer
so, als bewegte ich mich auf dünnem Eis.«
Lord Robert nickte. »Ich werde dein Geheimnis mit zum Schafott
nehmen, sollte ich dorthin gehen«, versprach er. »Von mir hast du
nichts zu befürchten, Kind. Und ich habe niemandem verraten, wer du
bist oder woher du kommst.«
Ich schaute zu ihm auf. Er erwiderte meinen Blick mit seinen
warmen, dunklen Augen. »Du bist gewachsen, holder Knabe«, bemerkte er.
»Bald bist du eine Frau. Bedauerlich, dass ich das nicht miterlebe.«
Darauf wusste ich nichts zu sagen. Wie eine Törin stand ich
vor ihm. Er lächelte, als ob er den Aufruhr meiner Gefühle nur zu gut
verstünde. »Ach, mein kleiner Hofnarr! Ich hätte dich damals bei deinem
Vater lassen sollen, hätte dich nicht in diese Intrigen hineinziehen
dürfen.«
»Mein Vater hat mir aufgetragen, Euch Lebewohl zu sagen.«
»Ja, und er hat gut daran getan. Du kannst mich jetzt
verlassen. Ich entlasse dich aus dem Versprechen, das du aus Liebe
gegeben hast. Du bist nicht länger mein Vasall. Du bist frei.«
Für ihn war es kaum mehr als ein Scherz. Er wusste so gut wie
ich, dass man ein Mädchen nicht aus dem Versprechen entlassen kann,
einen Mann zu lieben. Entweder es befreit sich aus eigener Kraft oder
es ist fürs Leben gebunden.
»Ich bin nicht frei«, flüsterte ich. »Mein Vater trug mir auf,
zu Euch zu kommen und Lebewohl zu sagen. Aber ich bin nicht frei. Ich
werde nie frei sein.«
»Würdest du mir immer noch dienen?«
Ich nickte.
Lord Robert lächelte und neigte sich zu mir. Sein Mund war
meinem Ohr so nah, dass ich seinen warmen Atem spüren konnte. »Dann tu
mir noch diesen einen letzten Gefallen. Gehe zu Lady Elisabeth.
Bestelle ihr, sie soll guten Mutes sein. Sag ihr, sie soll bei meinem
früheren Tutor John Dee lernen. Sie soll ihn ausfindig machen und bei
ihm lernen. Dann suche du selbst John Dee auf und richte ihm zwei Dinge
aus. Erstens: Ich glaube, er sollte Verbindung zu seinem früheren
Gebieter Sir William Pickering aufnehmen. Verstanden?«
»Ja«, sagte ich. »Sir William. Ich habe schon von ihm gehört.«
»Und zweitens: Trag ihm auf, er soll mit James Croft und Tom
Wyatt Verbindung aufnehmen. Ich glaube, die beiden beschäftigen sich
mit einem alchemistischen Experiment, das ganz nach John Dees Geschmack
ist. Edward Courtenay kann eine Chymische Hochzeit machen. Kannst du
das alles behalten?«
»Ja«, sagte ich. »Aber ich weiß nicht, was es bedeutet.«
»Umso besser. Sie wollen aus gemeinen Metallen Gold machen und
Silber zu Asche vermindern. Richte ihm das aus. Er wird es verstehen.
Und sag ihm auch, dass ich meinen Part in dieser Alchemie spielen
werde, wenn er mich dorthin bringt.«
»Wohin?«, fragte ich.
»Du brauchst nur die Nachricht korrekt zu überbringen«, sagte
er. »Wiederhole sie.«
Ich wiederholte Wort für Wort, was er mir aufgetragen hatte,
und er nickte zufrieden. »Und danach komme noch einmal zu mir, ein
letztes Mal, und sage mir, was du in John Dees Spiegel gesehen hast.
Ich muss es wissen. Was auch immer mit mir geschehen wird, ich muss
wissen, wie Englands Schicksal aussehen wird.«
Ich nickte, aber er ließ mich nicht sofort gehen. Er berührte
mit den Lippen meinen Hals, gerade unter dem Ohr – es war nur
eine sachte Berührung, der Hauch eines Kusses. »Du bist ein gutes
Mädchen«, flüsterte er. »Und ich danke dir.«
Dann ließ er mich gehen. Ich trat langsam, Schritt für
Schritt, zurück, konnte es kaum über mich bringen, mich von ihm
abzuwenden. Ich klopfte an die Tür in meinem Rücken, und der Wächter
machte sie auf. »Gott segne und beschütze Euch, Mylord«, sagte ich.
Lord Robert wandte seinen Kopf und schenkte mir ein so herzliches
Lächeln, dass es mir in dem Moment das Herz zerriss, als die Tür
geschlossen wurde und ihn meiner Sicht entzog.
»Gott sei mit dir, Junge«, erwiderte er gelassen zu der
zuschwingenden Tür, und dann war sie geschlossen, und ich war wieder
allein in Finsternis und Kälte, ohne ihn.
Auf der Straße machte
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