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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Königin von England und immer noch eine
Gefangene der Willkür anderer, und zu lachen hatte sie immer noch
nichts.
    »Und der Kronrat ist schlimmer als meine Kammerzofen!«, rief
sie aus. »Ohne Unterlass diskutieren sie in meiner Gegenwart, es sind
Dutzende Ratgeber, aber ich bekomme keinen einzigen vernünftigen
Ratschlag zu hören, jeder wünscht etwas anderes, und alle –
wirklich alle! – lügen mich an. Meine Spione tischen mir eine
Sorte von Geschichten auf und der spanische Gesandte eine andere. Und
die ganze Zeit bin ich mir bewusst darüber, dass sie gegen mich
konspirieren. Sie wollen mich stürzen und Elisabeth auf den Thron
setzen, aus reiner Bosheit! Sie werden sich von der Gewissheit des
Heils abwenden und in die Hölle fahren, weil sie die Häresie so
gründlich studiert haben und kein wahres Wort mehr verstehen.«
    »Die Menschen wollen für sich selber denken …«, warf
ich ein.
    Sie fuhr zu mir herum. »Nein, das wollen sie eben nicht! Sie
wollen einem Menschen folgen, der für sie denkt. Und nun glauben sie,
ihn gefunden zu haben. Thomas Wyatt … oh ja, ich kenne Thomas
Wyatt! Er ist der Sohn von Anna Boleyns Liebhaber, auf wessen Seite
wird er also stehen? Sie haben Männer wie Robert Dudley, der im Tower
wartet, bis seine Zeit gekommen ist, und sie haben eine Prinzessin wie
Elisabeth – ein törichtes Mädchen, das noch viel zu jung ist,
um zu wissen, was es will; zu selbstbezogen, um Verantwortung zu
tragen; und zu gierig, um zu warten, so wie ich warten musste, in
diesen langen, harten Jahren der Prüfung. Ich habe in einer Wildnis
ausgeharrt, Hannah. Sie aber wird überhaupt nicht warten können.«
    »Ihr braucht Robert Dudley nicht zu fürchten«, beeilte ich
mich zu sagen. »Wisst Ihr nicht mehr? Er hat sich doch für Euch
ausgesprochen. Gegen seinen Vater. Aber wer ist dieser Wyatt?«
    Wieder schritt sie ruhelos zwischen Fenster und Stuhl hin und
her. »Thomas Wyatt hat mir die Treue geschworen, will mir jedoch meinen
Ehemann verweigern«, erwiderte sie. »Als ob so etwas möglich wäre! Er
sagt, er wird mich vom Thron holen – und dann wieder
daraufsetzen.«
    »Hat er viele Männer auf seiner Seite?«
    »Die halbe Grafschaft Kent«, flüsterte sie. »Und dieser
schlaue Teufel Edward Courtenay soll der Thronprätendent sein und
Elisabeth wohl die Königin an seiner Seite. Und von irgendwoher wird
zweifellos Geld fließen, um diese verbrecherische Rebellion zu
finanzieren.«
    »Geld?«
    Ihre Stimme klang bitter. »Franken. Die Feinde Englands werden
immer in Franken bezahlt.«
    »Könnt Ihr Thomas Wyatt nicht verhaften lassen?«
    »Wenn ich ihn finde«, erwiderte sie. »Er hat mich zehnfach
verraten und mehr. Aber ich weiß nicht, wo er sich aufhält oder wann er
seinen Schlag ausführen will.« Wieder schritt sie zum Fenster. Diesmal
blickte sie hinaus, als könnte sie über den Garten am Fuße der
Palastmauern und über die silberne Themse in der kalten Wintersonne
hinweg bis nach Kent spähen, zu jenen Männern, die ihre Pläne so gut
geheim hielten.
    Betroffen spürte ich den Gegensatz zwischen unserem
hoffnungsvollen Ritt nach London und der jetzigen Lage Marias als
gekrönter Königin. »Wisst Ihr – als wir nach London ritten,
glaubte ich, dass nun alle Eure Kämpfe vorbei wären …«
    Ihr Blick war der einer Verfolgten, ihre Augen waren dunkel
umschattet, die Haut war so weiß wie Kerzenwachs. Sie wirkte um Jahre
gealtert im Vergleich zu jenem Tag, als wir an der Spitze eines
jubelnden Heeres in eine Stadt voller jubelnder Menschen eingezogen
waren. »Das habe ich auch geglaubt«, gestand sie. »Ich habe geglaubt,
mein Unglück gehöre nun der Vergangenheit an. Die Angst, die während
meiner Kindheit mein ständiger Begleiter war, die nächtlichen Albträume
und am nächsten Tag das schreckliche Erwachen, weil es keine Träume
waren. Ich dachte, wenn ich erst einmal zur Königin proklamiert wäre
und die Krone trüge, würde ich mich sicher fühlen. Aber nun ist es
schlimmer als zuvor. Jeden Tag höre ich von einem neuen Komplott, jeden
Tag ernte ich auf dem Weg zur Messe scheele Blicke, jeden Tag muss ich
mir anhören, wie jemand Lady Elisabeths Bildung bewundert oder ihre
Würde oder ihre Anmut. Jeden Tag tuschelt einer meiner Untergebenen mit
dem französischen Botschafter, um ein wenig Klatsch zu verbreiten oder
die Lüge, dass ich mein Königreich Spanien zur Beute vorwerfen
wolle – als ob ich nicht mein Leben, mein ganzes Leben mit
Warten auf den Thron

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