Die Hofnärrin
verbracht hätte! Als ob meine Mutter sich nicht
selbst geopfert hätte, indem sie jede Vereinbarung mit dem König
ablehnte, damit ich Thronerbin bleiben konnte! Sie starb, ohne dass ich
an ihrer Seite sein durfte, ohne ein gutes Wort von ihm, in einer
kalten, feuchten Ruine, weit weg von ihren Freunden, damit ich eines
Tages Königin werden konnte. Als ob ich dieses Vermächtnis für die
flüchtige Laune eines schönen Porträts fortwerfen könnte! Sind sie denn
von Sinnen, dass sie glauben, ich könnte mich derart vergessen?
Für mich gibt es nichts, nichts Wertvolleres als diesen Thron.
Für mich gibt es nichts Wertvolleres als dieses Volk – doch
sie können das nicht erkennen und wollen mir kein Vertrauen schenken!«
Sie zitterte. Niemals hatte ich sie so bedrängt erlebt.
»Majestät«, sagte ich. »Ihr müsst Euch beruhigen. Ihr müsst heiter
erscheinen, auch wenn Euch nicht so zumute ist.«
»Ich muss jemanden an meiner Seite haben«, flüsterte sie, als
hätte sie mich gar nicht gehört. »Jemanden, der sich um mich sorgt,
jemanden, der die Gefahr begreift, in der ich mich befinde. Einen
Menschen, der mich beschützt.«
»Aber Prinz Philipp von Spanien wird Euch nicht …«,
setzte ich an, doch sie hob die Hand, um mich zum Schweigen zu bringen.
»Hannah, ich habe keine Hoffnung außer ihm. Ich hoffe, dass er
zu mir kommt, trotz aller üblen Verleumdungen, trotz der Gefahr für uns
beide. Trotz der Drohungen, dass sie ihn töten werden in dem
Augenblick, in dem er seinen Fuß auf englischen Boden setzt. Ich hoffe
zu Gott, dass er den Mut besitzt, zu mir zu kommen und mich zu seiner
Frau zu machen und mich zu beschützen. Denn – und Gott ist
mein Zeuge – ich kann dieses Reich nicht ohne ihn regieren.«
»Ihr habt versprochen, Ihr wolltet eine jungfräuliche Königin
sein«, erinnerte ich sie. »Ihr habt gesagt, Ihr wolltet nur für Euer
Volk leben und keine anderen Kinder haben als Eure Landeskinder.«
Die Königin wandte sich vom Fenster ab, von dem Ausblick auf
den kalten Fluss und den eisengrauen Himmel. »Das habe ich wohl
gesagt«, pflichtete sie mir bei. »Aber damals wusste ich noch nicht,
wie schwer das sein würde. Zu jener Zeit ahnte ich nicht, dass mein
Dasein als Königin mir mehr Schmerz bereiten würde als mein Dasein als
Prinzessin. Ich wusste nicht, dass die Existenz einer jungfräulichen
Königin die ständige Gegenwart von Gefahr bedeutet, die ewige Furcht
vor der Zukunft und ewiges Alleinsein. Und schlimmer noch: das
Bewusstsein, dass nichts von dem, was ich tue, Bestand haben wird.«
Die dunkle Wolke lastete bis zum Souper auf
dem Gemüt der Königin. Mit gesenktem Kopf und grimmigem Gesicht nahm
sie ihren Platz an der Tafel ein. Tödliche Stille senkte sich über die
große Halle, niemand konnte fröhlich sein, wenn die Königin gedrückter
Stimmung war, und jeder hegte seine ganz eigenen Befürchtungen. Wenn
nicht einmal die Königin sich auf dem Throne halten konnte, wessen
Position konnte dann an diesem Hofe noch sicher sein? Falls Maria
gestürzt wurde und Elisabeth ihren Platz einnahm, mussten die Männer,
die vor Kurzem ihre Kapellen restauriert hatten und die Priester
bezahlten, erneut die Seiten wechseln. Der gesamte Hof wartete still
und ängstlich, alles blickte stumm in die Runde. Dann entstand eine
Bewegung. Will Somers stand auf, klopfte mit stutzerhaftem Gehabe sein
Wams ab und stolzierte auf den Tisch der Königin zu. Als er sich der
Aufmerksamkeit aller sicher sein konnte, beugte er elegant das Knie und
zog mit einer schwungvollen Geste ein Halstuch hervor.
»Was gibt es, Will?«, fragte die Königin zerstreut.
»Ich bin gekommen, um zu bittähn um Eure Handäh«, sagte Will
so feierlich wie ein Bischof und mit einer lächerlichen Aussprache. Der
ganze Hof hielt den Atem an.
Die Königin blickte auf, in ihren Augen stand die Andeutung
eines Lächelns. »Um meine Hand? Will?«
»Ich bin eingefleischtäh Junggeselläh«, fuhr der Spaßmacher
fort. Aus den hinteren Reihen drang unterdrücktes Kichern. »Wie jedähr
weiß. Doch ich werdäh es vergessen, bei diesäh Gelegenheit.«
»Welche Gelegenheit?« Die Stimme der Königin bebte vor
unterdrücktem Lachen.
»Bei der Gelegenheit meinähs Antragähs«, fuhr er in jener
lächerlichen Aussprache fort. »An Euer Gnaden, für das Heiratähn.«
Dies war gefährliches Terrain, selbst für Will.
»Ich bin nicht auf der Suche nach einem Ehemann«, sagte die
Königin spröde.
»Dann werdäh ich mich
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