Die Hofnärrin
ihren Schuh aus. Ich konnte nicht
umhin, die hübsche Stickerei auf ihrem Strumpf zu bemerken, hielt es
allerdings nicht für den passenden Moment, sie nach dem Muster zu
fragen. Wie immer faszinierte mich alles, was sie besaß und was sie
tat. Ich reichte ihr meinen Arm. Ein Höfling ging vorbei und bedachte
uns mit einem argwöhnischen Blick. »Der Prinzessin ist der Absatz
abgebrochen«, erklärte ich. Er nickte und ging weiter, ohne sich die
Mühe zu machen, ihr zu helfen.
Elisabeth hielt die Augen starr geradeaus gerichtet und
vermied es, den bestrumpften Fuß zu belasten, weshalb sie überaus
langsam humpelte. So gab sie mir reichlich Gelegenheit, die Botschaft
zu überbringen, die sie angeblich ohne Erlaubnis ihrer Schwester nicht
hören durfte.
»Lord Robert bittet, dass Ihr John Dee zu Eurem Tutor
ernennt«, sagte ich leise. »Er betonte noch, dass es ›ganz gewiss‹
geschehen müsse.«
Immer noch sah sie mich nicht an.
»Kann ich ihm ausrichten, dass Ihr diesem Wunsche nachkommen
werdet?«
»Du kannst ihm ausrichten, dass ich nichts tun werde, das
meiner Schwester, der Königin, missfällt«, sagte sie leichthin. »Aber
ich will schon lange bei Mr. Dee studieren und wollte ihn bitten, mit
mir zu lesen, insbesondere die Lehren der frühen Kirchenväter.«
Sie warf mir einen versteckten Blick zu.
»Ich versuche, etwas über die römisch-katholische Kirche zu
lernen«, fuhr sie fort. »Meine Bildung ist bis jetzt sträflich
vernachlässigt worden.«
Wir waren vor der Tür zu ihren Gemächern angekommen. Ein
Wächter salutierte bei unserem Näherkommen und öffnete die Tür.
Elisabeth hieß mich gehen. »Danke für deine Hilfe«, sagte sie kühl und
begab sich hinein. Ich sah noch, wie sie sich bückte und den Schuh
wieder anzog. Der Absatz war natürlich heil.
John Dees Vorhersage, die Männer Englands
würden sich erheben, um die Hochzeit der Königin mit einem Spanier zu
verhindern, bewahrheitete sich täglich in Dutzenden von Ereignissen.
Balladen gegen diese Heirat wurden verfasst, und die Tapfersten unter
den Predigern wetterten von ihren Kanzeln herab gegen eine Partie, die
eine solche Gefährdung für Englands Unabhängigkeit bedeuten könne.
Derbe Karikaturen erschienen an allen Mauern der Hauptstadt, billige
Broschüren schmähten den spanischen Prinzen und beschimpften unsere
Königin dafür, dass sie ihn überhaupt in Erwägung gezogen hatte. Es
half auch nicht, dass der spanische Botschafter jedem bei Hofe
versicherte, der Prinz sei keineswegs an der Herrschaft über England
interessiert, vielmehr habe sein Vater ihn zu dieser Partie bewogen,
und überdies hätte Prinz Philipp als begehrenswerter Mann unter dreißig
sehr wohl eine Braut auswählen können, die ihm mehr Vergnügen und
Reichtum einbrachte als die Königin von England, die elf Jahre älter
war als er. Es half, wie gesagt, nichts: Jede Erwähnung, dass der Prinz
diese Partie machen wollte, war ein Beweis für die Gier der
Spanier – jede Anspielung darauf, dass er sich auch anderswo
nach einer passenderen Braut hätte umschauen können, eine Beleidigung.
Die Königin brach fast zusammen unter der Last der
widersprüchlichen Ratschläge. Auch hatte sie Angst, die Liebe ihres
Volkes zu verlieren, ohne die Unterstützung Spaniens zu gewinnen.
»Warum hast du gesagt, mein Herz werde brechen?«, fragte sie
eines Tages erregt. »Konntest du so etwas voraussehen? Dass alle meine
Berater mir raten würden, die Partie abzulehnen, während gleichzeitig
alle darauf drängen, ich solle unverzüglich heiraten und Kinder
bekommen? Dass das ganze Land zu meiner Krönung tanzen und Minuten
später schon meine Heiratspläne verfluchen würde?«
»Nein«, erwiderte ich. »So etwas hätte ich nicht vorhersagen
können. Ich glaube, niemand kann einen solchen Umschwung innerhalb so
kurzer Zeit voraussehen.«
»Ich muss mich vor ihnen in Acht nehmen«, sagte sie, mehr zu
sich selber als zu mir. »Ich muss stets darauf bedacht sein, dass sie
mir zur Verfügung stehen. Die mächtigen Lords und alle ihre
Gefolgsleute sollten meine treuen Diener sein – doch ich sehe
sie stets nur in den Ecken herumstehen, wo sie tuscheln und mich
verurteilen.«
Königin Maria erhob sich von ihrem Stuhl und ging die acht
Schritte bis zum Fenster, drehte sich um und schritt wieder zurück. Ich
erinnerte mich, wie ich sie zum ersten Mal in Hunsdon gesehen hatte, in
ihrem kleinen Kreis, wo sie selten lachte, wo sie kaum mehr war als
eine Gefangene. Nun war sie
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