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Die Hofnärrin

Die Hofnärrin

Titel: Die Hofnärrin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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fest, dass
meine Arbeit als Hofnärrin mich zu einer Respektsperson gemacht hatte,
würdig, einen Stuhl und ein eigenes Glas Wein zu bekommen.
    »Auf jeden Fall«, erwiderte ich. »Die Königin sucht
verzweifelt nach einem Gehilfen und Gefährten, und da ist es nur
natürlich, dass sie einen spanischen Prinzen möchte.«
    Ich erwähnte nicht das Porträt, das sie in ihrer Kammer an der
Wand gegenüber ihrem prie-Dieu , ihrem
Betpult, aufgehängt hatte, und das sie in schwierigen Momenten um Rat
zu fragen pflegte, indem sie den Blick von dem gekreuzigten Jesus zu
dem Bild ihres zukünftigen Gatten wandern ließ und wieder zurück.
    Mein Vater warf Mrs. Carpenter einen Blick zu. »Hoffentlich
wird dann nicht alles anders«, meinte er besorgt. »Hoffentlich führt
sie keine spanischen Sitten ein.«
    Mrs. Carpenter nickte, bekreuzigte sich jedoch nicht, wie sie
es eigentlich hätte tun sollen. Stattdessen beugte sie sich vor und
tätschelte meines Vaters Hand. »Vergesst die Vergangenheit«, sagte sie
beruhigend. »Wir leben seit drei Generationen in England. Niemand kann
in uns etwas anderes sehen als gute Christen und aufrechte Engländer.«
    »Ich kann nicht bleiben, wenn dieses Land ein zweites Spanien
wird«, bekannte mein Vater mit gesenkter Stimme. »Jeden Sonntag, jeden
Feiertag haben sie Ketzer verbrannt, manchmal Hunderte auf einmal. Ob
man nun seit Jahren den Christenglauben praktizierte oder sich noch
nicht einmal dazu bekannt hatte – unterschiedslos wurden wir
angeklagt. Und niemand konnte unsere Unschuld beweisen! Alte Frauen,
die wegen Krankheit die Messe versäumt hatten, junge Frauen, die
beobachtet worden waren, wie sie beim Sakrament der Wandlung den Blick
abwandten … eine Lappalie, ein winziger Lapsus, und schon
konnte man angezeigt werden. Und immer, immer waren es diejenigen, die
reich geworden oder in der Welt vorangekommen waren und sich dadurch
Feinde geschaffen hatten. Und ich, mit meinen Büchern und meinem
Geschäft und meinem Ruf des Gelehrten, ich wusste, dass sie auch mich
holen kommen würden, und traf alle Vorbereitungen zur Flucht. Aber ich
dachte nicht daran, dass sie zuerst meine Eltern, die Schwester meiner
Frau und dann meine Frau selbst vor mir …« Er brach ab. »Ich
hätte daran denken sollen, wir hätten früher fliehen sollen.«
    »Papa, wir konnten sie doch nicht retten«, tröstete ich ihn
mit denselben Worten, die er mir gegenüber gebraucht hatte, als ich
weinte und rief, wir hätten bleiben und mit ihr sterben sollen.
    »Das ist Vergangenheit«, sagte Mrs. Carpenter ermunternd. »Und
sie werden nicht hierherkommen. Nicht die Heilige Inquisition, nicht
nach England.«
    »Oh doch, sie werden kommen«, versicherte Daniel.
    Es war, als hätte er ein Schimpfwort gebraucht. Sofort
entstand peinliches Schweigen. Seine Mutter und mein Vater starrten ihn
an.
    »Ein spanischer Prinz und eine halb spanische
Königin – sie muss doch entschlossen sein, die Kirche wieder
zu erneuern. Und wie sollte ihr das besser gelingen, als die
Inquisition in dieses Land zu holen, um die Häresie auszurotten? Und
Prinz Philipp ist schon lange begeisterter Anhänger der Inquisition.«
    »Sie ist zu barmherzig, um so etwas zu tun«, hielt ich
dagegen. »Sie hat noch nicht einmal Lady Jane hinrichten lassen, obwohl
alle ihre Berater darauf gedrungen haben. Lady Elisabeth schleppt sich
widerwillig zur Messe und versäumt sie unter mannigfachen
Entschuldigungen, aber niemand sagt etwas dagegen. Wenn die Inquisition
hergerufen würde, um zu Gericht zu sitzen, dann würde Elisabeth
dutzendfach beschuldigt werden. Aber die Königin glaubt, dass die
Wahrheit der Heiligen Schrift sich von allein durchsetzen wird. Sie
wird niemals Ketzer verbrennen, denn sie weiß nur zu gut, wie es ist,
Angst um das eigene Leben zu haben. Sie weiß, wie es ist, fälschlich
angeklagt zu werden.
    Sie wird Philipp von Spanien heiraten, aber sie wird ihm nicht
die Herrschaft über ihr Königreich übertragen. Sie wird sich niemals
von ihm zu einer Null degradieren lassen. Sie will eine gute Königin
sein, so wie ihre Mutter. Ich glaube, sie will dieses Land mit
friedlichen Mitteln zum wahren Glauben zurückführen. Schon jetzt ist
die Hälfte des Volkes froh, wieder zur Messe gehen zu können, und die
anderen werden folgen.«
    »Das hoffe ich«, bemerkte Daniel. »Aber ich sage es noch
einmal – wir sollten vorbereitet sein. Ich möchte nicht eines
Nachts ein Klopfen an der Tür vernehmen und wissen, dass wir uns

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