Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)
und kompakt. Selbst der minimalistische Rezeptionstisch war eine neolithisch einfache Struktur aus einem horizontalen Block auf einem nur leicht schmaleren vertikalen.
»Das erste kubistische Hotel der Welt«, erklärte Zal ihr, als sie sich umsah. »Die geometrische Ästhetik setzt sich sogar in den Zimmern fort.«
»Sie waren also schon mal hier?«
»Nein, ich hab darüber gelesen. Im …« Er hielt inne.
»Knast?«, schlug Angelique vor.
»Ich wollte eigentlich den Namen der Zeitschrift sagen, aber ja, Sie haben recht. Sehr gut. Wie sind Sie darauf gekommen?«
»Naja, dass ein Bankräuber auch mal sitzt, ist nicht unbedingt abwegig, aber Sie haben neulich so gezögert, als Sie gesagt haben, Sie hätten ›in … den letzten Jahren viel Jeopardy geguckt‹.«
»Das rutscht einem wohl irgendwann mal raus. Wenn man da die letzten drei Jahre verbracht hat, handelt jedes Gespräch davon, wenn man nicht aufpasst.«
»Drei Jahre? Wofür?«
»Fürs Erwischtwerden. Wofür sonst?«
Angelique war erleichtert, dass sie nicht über die Zimmeraufteilung verhandeln musste, da die Rezeptionistin ihr eine eigene Keycard und ein eigenes Formular gab, als Zal den Reservierungscode nannte (und nicht seinen Nachnamen). Sie stellte ihre Reisetasche in ihrem streng geometrischen Doppelzimmer ab, zerknüllte die Bettdecke als Zeichen ihres ästhetischen Widerstands und traf sich dann wieder mit Zal in der Lobby, wo er ihr verriet, dass sie jetzt in den Louvre gehen würden.
Trotz der Kälte wollten sie beide nicht mit dem Taxi fahren. Sie waren ja schließlich in Paris, und es war ein normaler Werktag. Sogar Zals schneller Schritt wäre ihr banausenhaft vorgekommen, wenn ihr dabei nicht so schön warm geworden wäre, und als er sprach, wurde ihr der eigentliche Grund für das Tempo klar: Er konnte es einfach nicht erwarten.
»Diderot hatte gefordert, dass der Louvre auch für das Volk geöffnet wird und nicht nur für die Elite. Keine Ahnung, was er vom Bellagio halten würde, aber ich muss schon sagen, der Mann gefällt mir. Dieser Egalitarismus des Louvre ist für mich der Inbegriff der Beziehung zwischen Kunst und Gesellschaft.«
Er sprach sachkundig und eloquent über die Geschichte des größten Museums der Welt, aber seine ungezügelte Begeisterung und seine rastlose Erwartung ließen ihn wirken wie einen kleinen Jungen auf dem Weg nach Disneyland.
»Nach der Revolution zeigten sie Werke, die der Kirche enteignet worden waren. Das ist doch toll. Napoleon hat auf seinen Feldzügen noch einen Riesenbatzen dazugeholt, aber das meiste davon wurde nach dem Fall des Kaiserreichs gleich wieder zurückgeplündert.«
»Ein Riesenbatzen? Ist das der Kollektivbegriff für eine Ansammlung von Kunstschätzen?«
»Bei mir zu Hause schon. Und wussten Sie, dass der Richelieu-Flügel auf Anordnung von Mitterand erst Anfang der Neunziger von der Bürokratie zurückgeholt wurde? Damals befand sich da das Finanzministerium, und jetzt wird dort das wirklich Unschätzbare verwahrt.«
So ging es weiter, bis sie vor der Glaspyramide standen, wo Zal sich langsam im Kreis drehte und den Palast anschaute, der sie an drei Seiten umschloss.
»Okay, raus mit der Sprache«, sagte Angelique. »Sind wir heute nur zwei interessierte Touristen, oder spähen Sie das Objekt aus, … Hochwürden?«
Zal lachte verblüfft. Er hatte gerade auf die Frage antworten wollen, als ihn die Anrede am Ende kalt erwischte. »Jetzt wissen Sie wohl, dass ich nicht von Natur aus blond bin«, erwiderte er.
»Ja, genau, als hätte ich dafür den Bart sehen müssen.«
»Nein, ich kann Ihnen versichern, dass ich den Louvre nicht ausspähe. Die haben hier sechshundertfünfzig Wachleute, und außerdem ginge das gegen meine Prinzipien.«
»Kunstraub?«
»Was? Nein! Aber Kunst im öffentlichen Besitz ist mir heilig, und das hier ist der Tempel. Gehen wir.«
Sie folgte ihm die Rolltreppe hinab zur unterirdischen Eingangshalle, wo er für sie beide den Eintritt bezahlte und sie eine Flasche Wasser kaufte.
»Warum haben Sie mich denn dann hierher gebracht?«, fragte Angelique, wischte sich den Mund ab und nahm den Museumsplan, den er ihr entgegenhielt. Sie reichte ihm die Flasche, die er austrank und wegwarf, bevor er in Richtung Denon-Flügel losging.
»Wer braucht denn einen Grund, in den Louvre zu gehen?«
»Niemand. Zumindest niemand, der eine Seele hat. Aber ein Räuber braucht einen Grund, eine Polizistin hierher zu bringen, auch wenn sie an ihrem freien Tag
Weitere Kostenlose Bücher