Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)
Bande, oder zumindest das Gehirn.«
Angelique erholte sich schnell wieder von dem Schock. »Er hat auf jeden Fall nicht als Einziger von denen etwas im Kopf, aber so eine perfekte Organisation gibt es in einer Demokratie nicht.«
»Ohne ein eingespieltes Team aber auch nicht. Da braucht es absolute Loyalität und volles Vertrauen in die Fähigkeiten der anderen. Aber der Mann mit dem Plan muss schon noch etwas Besonderes sein.«
»Für mich ist er nur ein Räuber, Sir.«
»Ich meinte ja auch für seine Männer.«
»Ah, selbstverständlich.«
»Sie setzen also Ihre halbe Pension, ja?«
»Tja, ich habe noch nie mit Ihnen zusammengearbeitet, Sir. Vielleicht darf ich doch nicht zu viel riskieren, falls Sie mich überraschen.«
»Was müsste ich denn dagegensetzen?«
Angelique verstand, was hinter den Spielchen lag.
»Sie haben etwas, oder? Raus damit.«
Shaw lächelte verschmitzt und zuckte die Schultern. »Vielleicht. Nichts Dramatisches, aber schauen Sie es sich mal an. Wenn Sie nicht gerade Koffer packen müssen.«
»Ach, dafür hab ich meine Diener, Sir. Irgendwie muss man das ganze Gehalt ja ausgeben, und der Südflügel ist dieses Jahr schon gestrichen worden.«
Shaw ging mit ihr nach unten in den Lageraum, wo er auf einem Schreibtisch einen Fernseher mit Videorekorder aufgebaut hatte. Damit der Bildschirm nicht spiegelte, waren die Jalousien geschlossen, was zu dieser Jahreszeit höchst optimistisch war. Shaw drückte auf die Fernbedienung, und die Schwarz-Weiß-Aufnahme einer Sicherheitskamera an der Buchanan Street fing an zu laufen. Schwärme von Leuten mit Einkaufstüten zuckten stakkatoartig von einem Bild zum nächsten.
»Ist das der Tag des Überfalls?«, fragte Angelique.
»Der Samstag davor«, antwortete Shaw. »Fällt Ihnen etwas auf?«
Sie starrte ein paar Sekunden. Nichts Bemerkenswertes oder Ungewöhnliches.
»Ausverkauf bei Gap?«
»Ja, ja. An einer Stelle scheißt auch ein Hund in die Ecke. Sonst noch was?«
»Tut mir leid, Sir. Sieht mir nach einem normalen Samstag auf der Buchanan Street aus.«
»Für jeden anderen auch, bis auf einen. Sehen Sie die Stelle da an der Wand? Leer. Wissen Sie auch, warum? Normalerweise steht da ein Straßenmusiker, der Typ, der uns den Tipp gegeben hat, dass die Clowns als Zal Cleminson verkleidet waren.«
»Wo ist er denn?«
»Da ist er gerade noch zu Hause, und zwar wegen dem hier.« Shaw zeigte auf einen Fleck nahe der Bildmitte, wo eine Gestalt mit Buch und Mikrofon in den Händen mitten auf dem Weg stand. »Ein Straßenprediger hat ihm den Platz versaut. Keiner konnte ihn singen hören bei dem ganzen Bibelgefasel. Und ganz nebenbei hatte dieses Gefasel einen amerikanischen Akzent.«
Angelique sah sich das winzige Bild des Freiluft-Predigers mitten auf dem Bildschirm genauer an. Auf die Entfernung waren kaum Details zu erkennen, und dass er mit dem Rücken zur Kamera stand, war auch nicht gerade hilfreich. Als er sich einmal drehte, konnte sie nur seinen buschigen, schwarzen Bart und die genauso buschigen, schwarzen Haare sehen. Das Größte auf dem Bild war aber das, was er vor sich hatte: die Royal Scottish/Great Northern Bank. Angelique schaute auf den Zeitstempel. »Samstagmorgen, 11:38.«
»Genau. Unserem Straßenmusiker zufolge ist der Kerl drei Wochen zuvor das erste Mal aufgetaucht und war dann jeden Samstagmorgen da.«
»Warum ist der Musiker nicht umgezogen?«
»Die sind sehr standorttreu. Außerdem wusste er, dass der Prediger nie über Mittag dablieb. Ist jede Woche gegen Viertel nach zwölf abgehauen.«
»Wenn die Bank zugemacht hatte. Der hat den Laden am helllichten Tag ausgespäht.«
»Die perfekte Tarnung. Niemand belästigt einen Mann, der für den lieben Gott unterwegs ist, und überhaupt beachtet ihn keiner. Da sieht man mal wieder, dass man diesen Bibelspinnern nicht trauen kann.«
»Ich würde die ja alle sofort verhaften, wenn ich dürfte.«
»Selbstverständlich ist er am Tag des Einbruchs nirgends zu sehen.«
»Zumindest nicht im gleichen Kostüm. Haben wir hiervon ein besseres Bild?«
»Die Aufnahmen haben eine beschissene Qualität, weil so Band gespart werden soll. Wir haben aber Vergrößerungen gemacht.«
Shaw holte einen Umschlag hervor und ließ daraus zwei Laser-Ausdrucke auf den Tisch gleiten. »Sie verstehen sicher, warum wir auf die Postergröße verzichtet haben. Die Haare sind wahrscheinlich eine Perücke, und auch der Bart wird lange weg sein, falls er überhaupt echt war. Aber die Augen
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