Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)
noch nichts Besseres vorhatte.«
»Ganz einfach: Hier können wir reden.«
»Ich kann überall reden. Aber Kunst macht Sie geschwätzig, oder?«
»Sie lockert mir die Zunge schneller als der beste Wein«, erwiderte er, bevor er durch den Metalldetektor sprang. Er drehte sich um und verbeugte sich mit einem Lächeln. Jetzt verstand sie: Sie würde nicht durchkommen, wenn sie ein Mikrofon trug. Sie applaudierte ironisch und folgte ihm.
»Hatten Sie wirklich gedacht, ich würde Sie austricksen wollen?«
»Darüber müssen wir uns jetzt ja keine Sorgen mehr machen.«
»Aber, wenn Sie mir nicht vertraut haben …«
»Ich erweise Ihnen nur den nötigen Respekt, schon vergessen? Dass ich Sie durch den Detektor geschickt habe, heißt nicht, dass ich Ihnen vorher nicht vertraut habe. Und bloß weil wir jetzt auf der anderen Seite sind, heißt das genauso wenig, dass ich Ihnen jetzt vertraue. Wenn es mir nur darum gegangen wäre, ob Sie einMikro tragen, hätten wir uns auch im Flughafen unterhalten können. Kommen Sie, ich will Ihnen etwas zeigen.«
»Ja? Meinen Sie, hier gibt’s was zu sehen?«
»Ja, hab gehört, die haben hier so ein paar Bilder. Bestimmt nur Schrott.«
Zal warf ab und zu einen Blick auf seinen Plan und führte sie im Denon-Flügel in den Ehrfurcht gebietenden Saal mit den großformatigen französischen Gemälden. Die unermessliche Fülle an Reichtümern gab ihr das Gefühl, sie wäre Alice, und jemand hätte für ein paar Milliarden den langen Flur im Wunderland neu eingerichtet. Zal hatte eindeutig ein Ziel vor Augen, und sie wollte unbedingt an diesen Ort kommen, wo er endlich reden würde, aber trotzdem musste sie vor manchen dieser imposanten Meisterwerke stehen bleiben.
Auch ihr Begleiter hatte es nicht unbedingt eilig und wirkte manchmal wie verzaubert. So gebannt er auch war, stellte sich Angeliques spontane Bemerkung, Kunst mache ihn wohl gesprächig, als Volltreffer heraus. Er schwatzte teilweise ganz atemlos über David, Lorrain, Delacroix und andere. Als sie aber an Géricaults Floß der Medusa vorbeikamen, erlaubte er sich nur ein Grinsen.
Irgendwann wurden sie nicht mehr nur von den Ablenkungen an der Wand gebremst, sondern von einer Warteschlange hinter einem Absperrseil. Angelique erriet die Ursache für den Stau, war aber ein bisschen überrascht, als Zal ihr erklärte, dass die auch sein Ziel war.
»Die Mona Lisa?«
»La Gioconda«, bestätigte er, als sie ein paar Schritte zurückgetreten waren, um dem nächsten Grüppchen staunender Novizen ihren Moment am Altar zu ermöglichen. »Da starrt sie durch sechs Millimeter Panzerglas jedes Jahr fünf Millionen Leute an. Ganz in echt, alles dran: der Mund, die Nase, die Augen und Mordor da im Hintergrund. Der Name heißt ›die Heitere‹, aber das Lächeln ist eigentlich nicht so eindeutig, oder? Lockt das Geheimnis dieses seltsamen Lächelns jeden Tag Tausende von Leuten hierher?«
»Ich weiß nicht. Ich finde, sie sieht ein bisschen arrogant aus.«
»Sehen Sie den Weg da und die Brücke? Das sind die einzigen Zeichen menschlichen Einflusses in der Landschaft. Sie stehen für die menschlichen Grenzen, denn sie führen in ihre Blickrichtung – in eine jenseitige Traumwelt. Ist die Kontemplation dieser Botschaft der Grund für die hundert Meter Seil im Gang hinter uns?«
Angelique wusste nicht, worauf er hinauswollte, und fürchtete, dass er kunsttrunken einfach vor sich hin dozierte.
»Wer weiß?«, murmelte sie geduldig.
»Ich. Und die Antwort lautet nein. Die fünf Millionen Leute stehen jedes Jahr aus dem einfachen Grund an dieser Stelle, dass es das berühmteste Gemälde der Welt ist, weshalb man es einfach gesehen haben muss. Ganz egal, ob man sich eigentlich eher zu Landschaften, Schlachten, Heiligen oder sonst was hingezogen fühlt, man muss sich die Mona Lisa anschauen. Sie bleibt also das berühmteste und beliebteste Gemälde der Welt, nur weil sie das berühmteste und beliebteste Gemälde der Welt ist.«
»Heißt das, Sie finden sie scheiße?«
»Sie ist großartig, aber darum geht’s hier nicht.«
»Wo führt dieses Gespräch eigentlich hin?«
»Erst mal ins Café Richelieu, würde ich sagen.«
»Sie wollen’s wohl noch ein bisschen hinauszögern, was?«
»Keine Sorge, ich werd Ihnen schon alles erzählen, aber gerade brauche ich einen Stuhl und einen Espresso.«
»Kriegen Sie ja auch. Aber Sie können mit dem Reden ruhig schon mal anfangen.«
»Okay«, erwiderte er und ging zügig auf eine breite
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