Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)
Treppe zu. »Mir geht’s hier um Werte. Wer sagt eigentlich, dass die Mona Lisa wichtiger ist als all die anderen Meisterwerke, die wir bisher gesehen haben? Niemand, oder?«
»Leonardos Mutter hätte dazu bestimmt eine Meinung.«
»Genau. Voreingenommenheit, Geschmack, persönliche Vorlieben. Aber aus welchem Grund ist die Arbeit von einem ’ne Million wert und die von ’nem anderen nicht die Leinwand und die Farbe?«
»Talent.«
»Absolut – in einer idealen Welt. Aber in unserer ist das nicht das einzige Kriterium. Wahrscheinlich hätte ich mich anders ausdrücken müssen: Warum kriegt der eine ’ne Million für sein Gemälde, und der nebenan bleibt auf den Materialkosten sitzen? Könnte einfach nur am Glück liegen, an den Verbindungen, an der richtigen Galerie, am richtigen Agenten, am richtigen Motiv zur richtigen Zeit. Wahrscheinlich ist es in London wie in New York – wenn der richtige Händler beschließt, dass du diesen Monat gerade das heißeste Ding bist, hast du ausgesorgt. Gestern hättest du fast aus dem Müllcontainer gefrühstückt, heute verkauft der Händler deine Sachen für sechsstellige Beträge an einen reichen Kunden, dem er erklären muss, was gut ist und was er mag. Plötzlich hast du hunderttausend mehr in der Tasche, als der Typ im Atelier nebenan, aber warum bist du die wert?«
»Warum ist ein Schauspieler zwanzig Millionen pro Film wert?«
»Weil er die wieder einspielt. In der Kunstbranche ist es aber so, dass niemand seine Popularität beweisen muss, um bezahlt zu werden. Man muss nicht vielen Leuten gefallen, sondern nur den richtigen. Klar läuft’s in Hollywood absolut willkürlich: ein hübsches Gesicht und ein paar Mal Glück gehabt, schon kriegst du ’ne Beteiligung für eine schauspielerische Leistung, die jeder beliebige Kollege genauso gut hinkriegen würde. Tom Cruise kriegt seine zwanzig Millionen für sein süßes Lächeln, und klar, er kann auch mal die Faust ballen, wenn’s sein muss, aber Tom Cruise kann dir auch sagen, leck mich, mein letzter Film hat am ersten Wochenende siebzig Millionen eingespielt.«
Sie waren am Café im Richelieu-Flügel angekommen und stellten sich an einer Schlange an, die auch nicht viel kürzer als die zur Joconde war.
»Erzählen Sie mir gleich, dass Sie ein unentdecktes Genie sind und auf Rache an der gleichgültigen Gesellschaft sinnen?«, fragte Angelique.
»Nein, ich bin nur unentdecktes Mittelmaß. Nicht mal das. Mittelmaß hört sich an, als wär ich auf halber Strecke zu echtemTalent. Ja, ich bin ein gescheiterter Künstler, aber ich bin richtiger- und verdienterweise unentdeckt geblieben. Das sind wir alle, außer Karl.«
»Alle vom Cleminson-Kollektiv, meinen Sie?«
»Vom Failed Artists Collective, um genau zu sein. So haben wir uns früher genannt.«
»Aber ein Künstler waren Sie schon.«
»Ich habe Kunst studiert, würde mich aber keinen Künstler nennen. Karl ist ein Künstler.«
»Welcher ist Karl?«
»The Failed Artist formerly known as Ionesco. Das ist der mit dem Talent.«
»Talent als Computercrack und Hacker?«
Zal lachte. »Oh, Mann, das würde ihn freuen. Ja, er kann ein bisschen programmieren, aber er würde sich keinen Hacker nennen, und Crack schon gar nicht.«
»Egal, wie Sie ihn nennen, wenn man das Sicherheitssystem einer Bank hacken will, muss man schon mehr können als ein bisschen programmieren.«
»Stimmt, aber nicht so viel mehr, als Sie glauben.«
»Würden Sie mir denn vielleicht verraten, wie er es gemacht hat?«
»Solange wir nicht Gefahr laufen, einen Tisch zu bekommen, gerne. Karl hat einfach einen Sub-Seven-Trojaner auf die Festplatte des Filialleiters losgelassen.«
»Noch mal für normale Menschen, bitte.«
»Einen Sub-Seven-Trojaner bzw. ein Trojanisches Pferd, also wäre eigentlich ein Sub-Seven-Grieche korrekter, wenn Sie Homer gelesen haben. So einer versteckt sich im System und kann dort alles Mögliche anstellen, Informationen zurückschicken oder auch die komplette Kontrolle an sein Herrchen weitergeben. Karl hat einen ziemlich einfachen benutzt. Der allein konnte ihm in diesem Fall aber nicht die volle Kontrolle geben, weil verschiedene Bereiche des Systems mit verschiedenen Passwörtern geschützt waren.«
»Wie hat er es dann geschafft?«
»Sein Trojaner hat alle Tastatureingaben aufgezeichnet, das ist eine absolute Standardfunktion dieser Viecher. So ist er an alle Passwörter des Filialleiters gekommen, bis er schließlich das ganze System in der Hand
Weitere Kostenlose Bücher