Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)
sind hier ganz gut zu erkennen, und da Sie von ihm sowieso nur die kennen, sollten Sie hier mal schauen.«
Angelique sah sich die Bilder an. Das eine zeigte nur sein Profil, dessen Konturen aber von der starken Behaarung unkenntlich gemacht wurden. Auf dem anderen war auch kaum mehr zu erkennen. Zwar waren die Augen sichtbar, aber das Bild war körnig und verwaschen. Trotzdem war absolut eindeutig, wer darauf abgebildet war.
»Zal«, sagte sie.
»Zal?«
»Jarry, meine ich. Mit den ganzen Decknamen komme ich noch ganz durcheinander. Aber er ist es.«
»Sicher?«
»Naja, der Kleine ist es schon mal nicht, ein anderer war schwarz, also stehen die Chancen fifty-fifty, aber ich setze gerne die andere Hälfte meiner Pension, dass er es ist.«
»Fifty-fifty ist mehr als alle anderen Spuren, die wir bisher haben, also haben Sie die Hälfte Ihrer Pension schon mal sicher.«
»Warum?«
»Ach, das war sowieso alles nur Kleinkram. Fangen wir mit den Waffen an. Das waren keine Attrappen. Echt waren sie auch nicht, aber es waren eben keine Nachbildungen realer Modelle, zumindest keiner, die unsere Fachleute kennen. Absolute Originale und damit nicht zu verfolgen. Bei den Masken hatten wir auch keinGlück. Aber wenn diese Typen ihre eigenen falschen Waffen designen und herstellen können, waren die Halloween-Verkleidungen wohl auch keine große Herausforderung.«
»Erst recht nicht für Leute, die ein gewisses künstlerisches Talent schon unter Beweis gestellt haben.«
»Genau. Da hab ich aber einen Einwand. Alle sagen ja, das waren Künstler. Die Namen, die Kostüme und so weiter. Da bin ich mir nicht so sicher. Gerade bei diesem Jarry. Er ist auf jeden Fall eine Rampensau, und er kann schauspielern, wenn er muss, aber bei ihm ist das alles Teil einer größeren Sache, wenn Sie mich fragen. Die Gemälde, das Theaterstück und so weiter – alles Teil seiner Show. Bloß ist es keine Kunst-Performance und auch keine Theaterveranstaltung. Es ist eine Zaubershow. Die Ablenkungsmanöver, die Tricks, die Irreführungen. Das Spektakel, das die Blicke auf sich zieht, während die eigentliche Arbeit woanders geschieht. Eine Freiwillige aus dem Publikum, die unwissentlich bei der Täuschung hilft. Und als letzten Trick lässt er fünf Leute und eine knappe Million verschwinden. Alakazammy, stairheid rammy!«
»Ein Zauberer«, stimmte Angelique zu und schaute auf den Ausdruck.
Wie sein Vater vor ihm.
***
Manchmal muss man seinem Gewissen zuhören, auch wenn man weiß, dass man sowieso tut, was man von Anfang an vorhatte. Vielleicht, weil man hofft, dass es einem ausnahmsweise mal sagt, dass man das Richtige tut, oder vielleicht, damit man sich einreden kann, man hätte alle Argumente gegeneinander abgewägt, bevor man sich entschließt. Auf jeden Fall glaubte Zal nicht, dass er der Einzige war, der so etwas tat. Für die meisten anderen Leute war es aber eher ein interner Dialog als ein Beichtanruf bei einem zwanghaften Kleinwüchsigen mit übersteigertem Verantwortungsgefühl.
»Du änderst dich nie, Zal, oder? Nicht mit der Zeit, nicht nach dem Knast, nie.«
»Was soll das heißen? Ich nehm’s mal als Kompliment.«
»Du weißt genau, was das heißt, und du weißt auch, was davon ein Kompliment ist und was eine Warnung vor dir selbst.«
»Ich übernehme mich nicht, Karl. Du weißt, dass ich das hinkriege.«
»Ich weiß, was du kannst, Alter. Ich kenn dich länger als jeder andere, und hier gibt’s noch zwei andere, die auch genau wissen, zu was du fähig bist. Aber ich weiß nicht, ob wir alle das Gleiche unter ›es hinkriegen‹ verstehen. Die Frau ist Polizistin, eine Polizistin, die wir als Geisel genommen haben, und du weißt kaum mehr über sie als ihren Namen. Und trotz alledem schickst du ihr Blumen, lädst sie auf einen Drink ein und fliegst jetzt mit ihr nach Paris, verdammte Scheiße! Du hast doch keine Ahnung, worauf du dich da einlässt!«
»Ich weiß genau, ich weiß mit höchster Alarmbereitschaft, worauf ich mich einlasse. Allein die Tatsache, dass sie Polizistin ist, macht …«
»Zal, ich red doch gar nicht von ihr. Ich rede von dir. Bei dir laufen Sachen ab, mit denen du nicht umgehen kannst, Mann. Dass sie Polizistin ist, ist nicht deine einzige Sorge – das ist bloß die einzige, die du erkennst.«
»Wenn ich Folsom überlebt habe, überlebe ich auch so was, das kannst du mir glauben.«
»Überleben heißt nicht wachsen.«
»Unter den Narben wächst weiter frisches Gewebe, Karl. Ich muss sie
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