Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)
Veranstaltung waren nur ein Werk in Auftrag gegeben und eins gekauft worden, der Rest bestand aus Leihgaben. Der Meinung der Bibelspinner nach war aber schon das Pfandgeld von einem Kasten Ginger Beer zu viel, wenn es um etwas ging, was sie ablehnten. Da das aber bei so ziemlich jedem nichtreligiösen Werk der Fall war, hatten diese Leute immer etwas zu tun.
John Milton Horsburgh. Das war mal einer, der sich nicht fragte, wo er hingehörte. In dem Song hieß es »Glasgow belongs to me«, was in Horsburghs Fall weitgehend zugetroffen hatte. Er war ein großer Reeder, der sein beträchtliches Vermögen mit ›Tabak- und Baumwollhandel‹ verdient hatte, wie es auf der offiziellen Plakette hieß, die vornehm die düstere südliche Spitze des damaligen Dreieckshandels zwischen Glasgow, Afrika und Nordamerika verschwieg.
Er wollte dieser Stadt in Erinnerung bleiben. Genau so hatte er es ausgedrückt. Nicht den Leuten, sondern der Stadt, die seine Seele in sich aufnehmen sollte. Er war aber kein Philanthrop, sonst hätte er sich ja auch dadurch unsterblich machen können, dass er den Armen ein paar Groschen hätte zukommen lassen. Stattdessen hatte er der Stadt seine Kunstwerke und sein Tafelsilber vermacht, damit sein Geschmack und seine Persönlichkeit ihr für immer seinen Stempel aufdrückten. Also hatten seine Testamentsvollstrecker nach einem guten Jahrhundert voller Rechtsstreitigkeiten schließlich das Dalriada Museum gebaut und der dankbaren Stadt gerade eben zu spät für die Empire Exhibition von 1938 eröffnet. Horsburghs Wünschen entsprechend gehörte das Museum der Stadt Glasgow, ob sie es wollte oder nicht.
Und was war mit Angelique? Gehörte sie nach Glasgow? Amin hatte ihre Eltern aus Uganda geworfen, als ihre Mutter mit ihr schwanger war, sie war hier geboren worden und hatte seitdem in der Gegend gewohnt. Sie war hier zur Schule gegangen und hatte bis auf ein paar Abordnungen immer hier gearbeitet. Sie hatte den Akzent, den Charakter und ihre Wohnung auf der South Side. Klar war sie hier zu Hause, aber ob sie hier hingehörte, war eine andere Frage.
Sie hatte eine Dauerkarte fürs Ibrox Stadium, aber gehörte sie dorthin? Hatte sie dort wirklich jemals hingehören wollen? Wurde sie von Orten angezogen, an denen sie sich isoliert, aber rebellisch fühlen konnte, was fast schon eine Überlebensstrategie geworden war? Isoliert, aber rebellisch: So war sie in der Glasgower Polizei, so war sie in der Schule gewesen und, mal ehrlich, so war sie im Stadion, egal wie leidenschaftlich sie dem Spiel folgte. Es war ein Ruhmesfeld, eine Kathedrale sportlicher Leistungen, aber auch befleckt von einer Geschichte der Ausgrenzung. Vielleicht hatte sie auf irgendeine verschrobene Weise genau das gesucht. Sie war zwar keine Katholikin mehr, aber da sie auf die Sacred-Heart-Schule gegangen war, würde sie für manche der Gehirnspender auf den Rängen um sie herum immer eine bleiben. Sie war eine Antimonarchistin in einer Horde, die God Save the Queen sang, eine Antiimperialistin im Rule-Britannia -Chor. Aber sie bestand darauf, dass die Rangers auch ihr Verein waren – isoliert, aber rebellisch.
›We are the people‹, lautete das Motto der Fans, ganz im Gegensatz zum offiziellen ›Aye Ready‹ des Vereins. Ihr möchtegern-linker, eigentlich-atheistischer-aber-katholiken-apologetischer Celtic-Fan von einem Bruder konnte sich über diese einfache Aussage schrecklich aufregen. Sie habe düstere Untertöne, argumentierte er oft, was sich nach einer auswendig gelernten Katholikenstellungnahme anhörte. Das Motto sei in Vorurteilen gegen irische Einwanderer verwurzelt und impliziere, dass die nicht zum Volk gehörten. Es sei auch das Motto der loyalistischen paramilitärischen Gruppen in Nordirland. Es habe Konnotationen rassistischen Gedankenguts. Außerdem sei es ein Anagramm von »Hitler hatte recht«, naja fast.
Angelique, die weit mehr Bears kannte als James, wusste es besser. Egal, wer das Motto für sich pachten wollte, es zitierte, gebrauchte oder missbrauchte – sein Ursprung war unschuldig, harmlos und absolut typisch für Glasgow. ›We are the people‹ hieß nichts weiter als das: Wir sind das Volk. Damit drückte man nur trotzig, oder im Dialekt ›gallus‹, aus, dass man zufrieden mit sich selbst war und alle anderen beglückwünschte, denen es auch so ging.
›Gallus‹. Das war das einzige Adjektiv, das richtig passte. Die Bedeutung, Anwendung und Etymologie dieses Wortes fassten Glasgow in sich
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