Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)
Jungen.
Harry hatte sich gegen den Mord ausgesprochen, weil er ihn als Zeitverschwendung betrachtete und nicht wusste, was es brachte, wenn sie sich jemanden zum Feind machten, der ganz klar kapiert hatte, was Sache war. Der Kerl hatte genau gewusst, dass sie zu groß für ihn waren, und deshalb war er auch in den Knast gegangen, statt sich weiter mit Alessandro anzulegen. Aber wenn man jemandem die Angehörigen umlegt, schalten sich bei ihm Verstand und Angst ab – von da an kennt so jemand nur noch eine Lebensaufgabe: Rache um jeden Preis.
Alessandro hatte davon aber nichts hören wollen. Er hatte ein paar Spielsachen aus seinem Kinderwagen geworfen und herumgebrüllt über Respekt und so weiter. Harry hatte den Auftrag persönlich bekommen. Als Strafe und als Prüfung seiner Loyalität der neuen Führung gegenüber.
Er hatte bestanden.
Innez kam auf die Minute pünktlich ins Restaurant. Harry hatte ihn nicht mehr gesehen, seit er in den Knast gewandert war. Er wirkte härter, muskulöser, und er hatte sich die Haare blond färben lassen, wodurch er wie irgendein bescheuerter Rockstar aussah. Als er die Jacke auszog, waren am Hals und auf den Oberarmen Gefängnis-Tattoos zu sehen. Der Hauptunterschied war aber, dass er keine Angst mehr zeigte.
»Innez«, sagte Harry, bedeutete ihm, sich zu setzen, und bot ihm eine Speisekarte an.
»American Harry«, erwiderte er trocken.
American Harry. So zeigte Innez ihm, dass er heutzutage viel genauer über die Organisation Bescheid wusste, mit der er es zu tun hatte. So genau, dass er seinen Spitznamen und dessen Bedeutung kannte.
Er hieß eigentlich nicht Harry Arthur, sondern Javier Artero, und er musste sich eine Menge blöde Sprüche wegen seiner Überzeugung gefallen lassen, dass man Wurzeln am besten unter der Erde lässt. Er war als Amerikaner auf die Welt gekommen – was ging es die Tacofresser an, dass ihn sein ethnischer Hintergrund nicht weiter interessierte? Leute wie Miguel gingen ihm auf denSack, die immer davon faselten, dass sie ihr kulturelles Erbe so faszinierte. Tja, wenn du es wirklich so toll findest, warum ziehst du dann nicht wieder auf die andere Seite der Grenze und gibst dein schönes Haus mit Swimmingpool auf, dein Mercedes-Cabrio und deine Dauerkarte für die Lakers? Harry lebte die Kultur seiner Heimat, und auf genau die fuhren all die Spinner genauso ab, ganz egal, wie viel Mariachi-Geplärre aus ihren japanischen CD -Playern kam.
»Wie geht’s? Die Stadt hier hat’s in sich, was?«, sagte Harry.
»Sie ist auf jeden Fall freundlicher als die Umgebung, an die ich mich in den letzten Jahren gewöhnen musste«, erwiderte Innez.
»Oh ja. Wirklich sehr freundlich. Gerade die Banken haben sich dir gegenüber ja richtig großzügig gezeigt.«
»Tja, meine Jobaussichten sind nun mal nicht mehr so großartig, seit ich Folsom im Lebenslauf stehen hab. Jimmy Hoffa hat immer Ex-Knastis eingestellt, aber den hab ich schon lange nicht mehr gesehen, also musste ich mir anderweitig mein Einkommen aufbessern.«
»Du bist doch wohl nicht immer noch sauer, bloß weil du drei Jahre in den Knast gewandert bist, oder?«, fragte Harry und versuchte, seine Nervosität mit kaltem Zynismus zu überspielen.
»Das Leben ist zu kurz, um sich wegen so was den Kopf zu zerbrechen. Von so einer Kleinigkeit lass ich mich genauso wenig runterziehen wie von der Tatsache, dass ihr Schweine meinen Vater umgebracht habt.«
Harry seufzte und trank einen Schluck Kaffee. Zum Glück war ihm diese Ist-mir-alles-scheißegal-Masche mittlerweile in Fleisch und Blut übergegangen. Paradoxerweise beruhigte ihn Innez’ Wut auch ein bisschen. Ein aggressiver Innez brachte ihn weniger aus der Ruhe, als wenn er mit einem sorgenfreien Lächeln hereinspaziert wäre.
»Hör zu, Mann«, sagte Harry. »Ich will gerade genauso wenig hier sein wie du, okay? Die Situation ist beschissen, und ich weiß echt nicht, ob die Sache das Risiko wert ist, aber wir wissen beide, dass unsere Meinung einen Scheiß zählt. Wie wär’s also, wenn wiruns den unnötigen Stress ersparen und die Sache zu unserer beider Zufriedenheit über die Bühne bringen?«
»Zu Alessandros Zufriedenheit.«
»Egal. Willst du ’nen Kaffee? Und du musst echt mal dieses Porridge-Zeugs probieren.«
»Ich hab schon gegessen. Du hast mich herbestellt. Jetzt lassen wir mal das Hin und Her und kommen zur Sache. Was willst du?«
»Ich will nur hören, ob alles nach Plan läuft.«
»Ja, so langsam sind wir so weit.
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