Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)
dem Raub. Wenn ihr Polizisten also bitte mal kurz wegschauen würdet … Dann greift er sich, was er will, und verpisst sich, und wir haben weder Hannigan noch Estobal und Innez schon gar nicht. Verdammt noch mal, vielleicht gibt’s diesen Parnell nicht mal.«
»Doch. Hab ich überprüft.«
»Und selbst wenn, selbst wenn alles stimmt, auch sein Motiv, dann erledigt er den Auftrag für Estobal und rettet Parnell, und all das ist viel leichter, wenn wir wie die Idioten rumstehen und auf etwas anderes warten. Er kann kriegen, was er will, ohne uns etwas dafür zu geben.«
»Warum bietet er uns dann einen Deal an?«
»Nichts als Irreführung.«
»Ich will gar nicht so tun, als wüsste ich, was in dem Kerl vorgeht; davon würde ich ja doch nur verrückt werden. Aber eins weiß ich: Er will nicht, dass wir wegschauen. Er weiß, dass wir das nicht können.«
»Darauf kann er sich verdammt noch mal verlassen. Wenn der Kerl wieder etwas in meiner Stadt plant, dann setze ich Himmel und Erde in Bewegung, damit wir ihn diesmal kriegen. Und von Ihnen erwarte ich dasselbe, selbst wenn Sie eine gewisse Schwäche für ihn haben, wie ich vermute.«
»Ich werde alles geben, Sir. Ich kann gar nicht anders. Aber verzeihen Sie mir, wenn ich Sie jetzt mit einem kleinen Virus infizieren muss, den er mir in den Kopf gesetzt hat.«
»Bitte.«
»Ich hab ihm gesagt, Parnell oder nicht, wir haben keine Wahl, wir müssen alles tun, um ihn zu schnappen. Dann hat er mich gefragt, woher ich wissen will, dass er sich nicht genau darauf verlässt.«
Shaw seufzte wieder und atmete langgezogen und nachdenklich durch geschürzte Lippen aus wie ein Dampfkochtopf. »Ob ich Ihnen das verzeihen kann, weiß ich nicht, de Xavia. Wenn das mal kein Hirnfick ist.«
»Und genau deshalb glaube ich auch, dass er es mit dem Deal ernst meint.«
»Meinetwegen. Aber er fordert uns auch heraus, egal, was für Psychospiele er abzieht. Er ist ein schlauer Kerl, aber ganz dumm sind wir auch nicht, und diesmal kann er uns nicht mehr kalt erwischen.«
»Das hab ich ihm auch gesagt. Er meinte, wir sollen uns trotzdem schon mal warm anziehen.«
Shaw lächelte mit schmalen Lippen und entschlossenem Blick. »Alles klar. Jetzt hat er uns aber wirklich den Fehdehandschuh hingeworfen. Was hat er noch gesagt, was wir nicht wissen? Das Wo, das Was und das Wann. Wollen wir doch mal sehen, ob wir dämlichen Bullen nicht ein, zwei, drei Sachen rauskriegen.«
Shaw wirkte hoch motiviert, fast begeistert. Er hatte Blut geleckt, da konnte ein Polizist wie er kaum widerstehen, schon gar nicht, wenn er offen herausgefordert wurde. Diese Energie, diesen Enthusiasmus hatte sie selbst schon hundertmal gespürt, und ihr war etwas unwohl, weil sie sich diesmal nicht so recht mitreißen lassen konnte. Trotz Zals Selbstsicherheit (oder war die auch nur Show?) sorgte sie sich um ihn. Shaw würde Bud Hannigan liebend gern hochnehmen, aber der war gerade die sprichwörtliche Taube auf dem Dach, die ihn nicht von seiner unmittelbaren Aufgabe ablenken würde. Da war Shaw wohl gegen Zals Magie immun.
Dasselbe konnte Angelique nicht von sich behaupten. Bisher war es alles nur Theorie gewesen, aber der Anblick von Shaw, der die Fährte aufnahm, zeigte ihr, wie die harte Realität aussah. Es war ihr Job, Zal an seinem zu hindern, daran, dass er Alessandrobesänftigte, also würde sie im Endeffekt dafür sorgen, dass Parnell starb. Doch all das hatte Zal gewusst und nur mit dem verunsichernden Leuchten in den Augen gefragt: »Woher willst du wissen, dass ich mich nicht genau darauf verlasse?« Vielleicht hatte er sie damit nicht nur verwirren wollen; vielleicht war das seine Absolution, die Befreiung von dieser Verantwortung, weil er wusste, dass es Dinge gab, um die er sie nicht bitten konnte. Andererseits wusste Zal auch genau, wie er einen dazu brachte, das zu tun, was er wollte, während man glaubte, man selbst sei auf die beste Lösung gekommen. Vielleicht waren seine Worte auf paradoxe Weise ehrlich gewesen und hatten ihr zu verstehen geben sollen, dass sie ihm und damit auch seinem Freund nur helfen konnte, wenn sie ihre Arbeit tat. Nur, wenn sie versuchte, ihn aufzuhalten, konnte sie das Richtige tun.
Sie atmete tief durch und griff in ihre Tasche. Dann begann sie für Zal, für Parnell, für Shaw mit dem, was sie am besten konnte.
»Fangen wir mit dem Wo an«, sagte sie und breitete eine Karte auf Shaws Schreibtisch aus.
»Was ist das?«
»Hab ich aus der Mitchell Library. Das
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