Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)
Im Mülleimer liegt eine FHM -Verpackung, aber die dazugehörige FHM ist nirgends zu finden.«
Jarry wandte sich wieder Michelle zu. »Wie viele fehlen noch?«, fragte er. Erst in dem Moment fiel ihr ein, dass sie sich nicht erinnern konnte, ob Grants letzter Kunde schon gegangen war.
»Einer«, erwiderte sie.
»Mr Ionesco«, rief Jarry. »Wie weit sind Sie mit dem Mitarbeiterbereich?«
»Gleich fertig.«
»Könnten Sie bitte die Herrentoiletten priorisieren?«
»Alles klar.«
Nach ein paar Minuten trat eine leichenblasse Gestalt, gefolgt von dem bewaffneten Kleinen, durch den Sicherheitsdurchgang, aber es war nicht Grant. Glücklicherweise trug der erschrockene Kunde Anzug und Krawatte, also wussten die Räuber nicht, dass ihnen noch ein Mitarbeiter fehlte. Michelle glaubte nicht, dass Grant die Gelegenheit nutzen würde, um »Bruce Willis zu spielen«, wie Chagall es ausgedrückt hatte, aber immerhin würde ihr so der Blickkontakt mit ihm erspart bleiben.
In der Zwischenzeit hatte sich der Rest der Clown-Crew an die Arbeit gemacht. Athena hielt Wache, was eigentlich nur hieß, dass er mit dem Finger lang am Abzug die zusammengetriebenen Geiseln im Auge behielt, während seine Kollegen anderswo ans Werk gingen.
Chagall und Dalí hatten einen Rucksack zur Eingangstür getragen und eine Rolle Abklebeband und zwei Dosen Sprühfarbe herausgeholt. Einer von ihnen klebte hüfthoch in die Mitte jeder der beiden Glasflügeltüren einen 15-cm-Streifen und sprühte sie dann von oben bis unten weiß an. Sein Kollege verdunkelte nach demselben Prinzip die Fenster. Danach machte der größere, breitere Chagall für Dalí eine Räuberleiter, damit der jede der fünf Sicherheitskameras des Ladens einsprühen konnte. Die Räuber wussten wohl, dass die Geräte nicht nur auf Band aufzeichneten, sondern ihr Signal auch direkt nach außen weitergeben konnten.
Jarry ging hinter die Schalter und räumte systematisch alles Geld aus den Kassen, ohne für Unordnung zu sorgen. Die Kunden sahen ihn nicht, aber er hielt sein Wort: Sie selbst hatten keine finanziellen Verluste zu befürchten, weil er alle Einzahlungsbelege an ihrem Platz ließ, sodass die Bank ihnen ihr Geld gutschreiben musste, auch wenn es in der Zwischenzeit gestohlen worden war.
Der Kleine, Ionesco, war nirgends zu sehen. Vielleicht durchwühlte er die Schränke im Erdgeschoss hinter den Schaltern, aber wahrscheinlich machte er sich eher unten zu schaffen und versuchte, Zugang zum Keller zu erlangen. Oben gab es noch weitere, großzügigere Büroräume mit Blick auf die Schalterhalle durch ein verglastes Zwischengeschoss, aber die waren samstags geschlossen (die lieben Vorgesetzten mussten sich natürlich nicht am Wochenende verkatert zur Arbeit schleppen), und Michelle hatte nicht gesehen, dass Athena die Schlüssel weitergegeben hätte. Da oben gab es sowieso nichts Wertvolles, außer vielleicht die schöneren Mitarbeiterklos. Im Keller dagegen befand sich der Tresorraum mit dem Hauptsafe und den zweihundert Schließfächern der Filiale. Falls jemand den Alarm ausgelöst hatte, waren die Türen dorthin bereits verriegelt.
Ein paar Minuten später kam Jarry mit nichts als seiner Waffe durch die Sicherheitstür. Seine Beute hatte er wohl hinten im Büro abgestellt, damit sie sich noch weiter vermehrte.
»Mr Dalí«, rief er, »wie ist die Aussicht?«
Dalí zog einen der Klebestreifen von der Tür ab, hockte sich hin und spähte durch den Spalt.
»Bisher nur Streifenpolizisten«, antwortete er. Noch eine Stimme mit amerikanischem Akzent. Diese ließ außerdem vermuten, dass das Gesicht unter der Maske schwarz war. »Vier … nein, Moment, fünf Ordnungshüter bei der Beschäftigungstherapie. Sperren den Bereich ab, weil sie nicht wissen, wie sie sich sonst nützlich machen können, bevor der Chef kommt. Ein Streifenwagen, keine Armed Response Unit. Ist ja noch früh.« Dalí rollte den Klebestreifen zurück über den Spalt und stand wieder auf.
»Die kommen schon noch schnell genug«, erwiderte Jarry. »Wenn Sie hier unten alles erledigt haben, können Sie sich jetzt fertig machen.«
»Alles klar.«
Dalí ging zügig zu den Schaltern und prüfte den Inhalt eines weiteren Rucksacks auf dem Boden, während Jarry sich an die Geiseln wandte.
»Für unseren nächsten Trick benötigen wir einige Freiwillige aus dem Publikum. Als Erstes hätten wir gerne Herrn Thomas Peat, der meinen Informationen nach heute die Funktion des Duty Managers innehat.«
Tom musste
Weitere Kostenlose Bücher