Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)

Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)

Titel: Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Brookmyre
Vom Netzwerk:
große Ereignis war Dalís Abstecher »nach oben« gewesen. Michelle hatte an die Büros im zweiten Stock gedacht, aber wie sich herausstellte, hatte der Räuber das Dach gemeint. Chagall hielt durch seine Gucklöcher hindurch Ausschau und hatte die Ankunft der Armed Response Unit gemeldet. Diese hatten sich wie ihre Kollegen zuvor lautstark mit Sirenen angekündigt. Nach einigen Rufen, Schreien und einem allgemeinen Anschwellen des Geräuschpegels draußen verkündete der Späher-Clown fröhlich, dass die bewaffneten Polizisten alle »außer Gefecht« seien, was Michelle als einen der zahllosen amerikanischen Euphemismen fürs Töten deutete. Ihre Mitgeiseln teilten ihre Sorge und wurden merklich unruhig, als sie ihre eigene Lage neu einschätzten, aber Chagall versicherte ihnen, dass es »nicht so ist, wie Sie glauben«, führte das aber ärgerlicherweise nicht weiter aus.
    Seitdem waren die Geiseln mit ihren Sorgen, oder im Fall von Michelle, mit ihrer Qual, allein gelassen worden. Ihr Kater hatte in den anfänglichen Wirren des Überfalls zunächst nachgelassen,aber jetzt konnte sich ihr Kopf wieder darauf konzentrieren, wie dreckig es ihr ging und wie lange die letzte Schmerztablette schon her war. Ihre Sorgen wegen Grant Kelly hatten sich aber ein bisschen gewandelt. Jetzt machte sie sich keine Gedanken mehr darüber, dass er weitererzählen würde, was am letzten Abend passiert war, sondern darüber, dass er sich oder sie alle in tödliche Gefahr bringen würde, wenn er eine »böse Überraschung« herbeiführte, wie Jarry es ausgedrückt hatte.
    Von solchen Ängsten verschont, tauten manche der Geiseln langsam auf und besannen sich darauf, was ihnen eigentlich am Wichtigsten war.
    »Ey Alter, was wird ’n das hier eigentlich?«, fragte einer der Rangers-Fans Athena, der es ignorierte und weiterging. »Ihr nehmt euch hier schon ’n bißchen was raus. Wie lange wollt ihr uns denn hierbehalten?«
    »So lange wie nötig«, erwiderte Athena trocken. Der kurze Satz reichte Michelle nicht, um seinen Akzent genau einzuordnen, hörte sich aber auch wieder amerikanisch an.
    »Wir müssten nämlich eigentlich gerade im Stadion sein, okay?«, beharrte der Sprecher des Grüppchens. »Ich frag ja nur, Alter: Meinste, wir schaffen’s zur zweiten Halbzeit?«
    »Da müssten Sie Mr Ionesco fragen«, antwortete Athena gereizt. »Aber ich hoff, ihr habt schon mal Sportscene im Videorekorder einprogrammiert, okay?« Diesmal war der Akzent genau zu erkennen: schlecht imitiertes Amerikanisch mit starkem Glasgower Einschlag.
    Außerdem war deutlich zu merken, dass Athenas Meinung nach nicht alles ganz nach Plan lief, was Michelle ohnehin schon befürchtet hatte. Tom Peat war nach wenigen Minuten von seinem erschütternden Verrat zurückgekehrt, und seitdem war von Jarry und Ionesco nichts mehr zu sehen, was vermuten ließ, dass der Safe sich nicht von ihrer charmanten Selbstsicherheit allein öffnen ließ. Vielleicht zeigte sie erste Symptome vom Stockholm Syndrom, aber sie hoffte unwillkürlich auf einen baldigen Erfolg der Räuber, der ja auch eine baldige Freilassung der Geiseln bedeuten müsste. Der Umkehrschluss ließ es ihr kalt den Rücken hinunterlaufen. Wenn man schon ausgeraubt wurde, dann lieber von selbstsicheren, kompetenten, gelassenen Kriminellen als von nervösen, unruhigen Verzweifelten, aber Erstere konnten schnell zu Letzteren werden, wenn ihr Plan nicht klappte.
    Doch nicht alle ertrugen die steigende Spannung im Stillen.
    »Könnt ihr nicht mal ’n gutes Wort einlegen, damit die uns rauslassen?«, wandte sich der Sprecher der Rangers-Fans an die Antarktisexpedition in den Farben des Erzrivalen.
    »Was?« Der Mann im Celtic-Trikot war sichtlich fassungslos, dass der andere es wagte, ihn anzusprechen.
    »Naja, die Typen hier sind doch wohl welche von euch, oder? Sind nun mal die meisten Verbrecher in Schottland Katholen. Hab mir gedacht, ihr habt bestimmt ’nen besseren Draht zu denen.«
    »Klar. Und protestantische Kriminelle gibt’s nicht, was?«
    »Nee, das sag ich doch gar nicht, ich mein doch nur so von der Statistik her. Der Anteil der Papstfans unter den Knastis ist bei uns nun mal extrem hoch.«
    »Und das hat nicht eventuell was damit zu tun, dass die engstirnigen Protestantenschweine nie ’nen Katholiken einstellen würden, wenn er ’nen Job sucht?«
    »Ha, was ’n Scherzkeks«, wandte sich der Rangers-Sprecher an seine Kumpel. »Der meint es gibt Katholen, die ’nen Job suchen. Warum soll so

Weitere Kostenlose Bücher