Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)
des Gedankens, und beide Möglichkeiten ließen bedenkliche Schlüsse über ihre Verfassung zu.
»Sie wissen, wer ich bin?«, fragte er, da er die anhaltende Stille völlig falsch interpretierte.
»Mm-hmm«, erwiderte sie mit der plötzlichen, irrationalen Angst, jemand könnte mithören, der schon hätte telepathisch begabt und allwissend sein müssen, um aus dem Gesprächsfetzen irgendwelche Informationen zu ziehen.
»Okay«, sagte er, worauf eine weitere Pause folgte, in der ihn Angeliques Nervosität anscheinend ansteckte. Sie hörte ihn schlucken, und er fuhr weniger zögerlich, aber genauso unsicher fort. »Das hört sich jetzt sicher ein bisschen verschroben an, und ich weiß, dass ich in Anbetracht der Umstände wohl ziemlich verrückt wirke, aber …« Wieder seufzte und schluckte er. »Ich hab das Gefühl, und vielleicht drehe ich auch nur langsam durch, aber ich … ich hab das Gefühl, dass wir mal miteinander reden sollten. Nicht unbedingt über … naja, wenn Sie wissen, wovon ich rede, dann … wissen Sie es ja.«
»Und worüber wir nicht reden.«
»Genau. Oder, ich leg jetzt auf und lasse das Ganze.«
Bei der nächsten Pause lief die Uhr, ein Ultimatum: Mit jeder Sekunde stieg die Gefahr, dass das Gespräch abbrechen würde, und das wollte sie wirklich nicht. Wovon redete er? Angelique konnte es auch nicht besser ausdrücken, aber sie verstand ihn trotzdem; einigermaßen.
»Sie wissen sicher, dass ich jetzt von Berufs wegen alles tun und sagen muss, damit Sie am Apparat bleiben«, sagte sie, halb, weil sie Zeit schinden wollte, halb, weil sie laut nachdachte.
»Und dass ich Ihnen alles, was Sie sagen, dementsprechend auslegen kann, ja.«
»Woher wollen Sie wissen, dass ich es ernst meine, wenn ich zusage, wo Sie doch wissen, dass ich nicht absagen darf?«
»Weil Sie mich das sonst nicht fragen würden.«
Angelique sah sich paranoid im Büro um. Niemand achtete auf sie – warum auch? Und doch fühlte sie sich beobachtet wie ein Kind nach einem heimlichen Überfall auf die Keksdose.
»Alles klar, sagen wir, wir müssen wirklich miteinander reden. Was dann?«
»Dann treffen wir uns. Ich lade Sie auf ’nen Drink ein, und wir unterhalten uns.«
»Und ich vernachlässige grob fahrlässig meine Pflichten und verschweige meinen Kollegen dieses Treffen.«
»Das ist Ihre Sache, aber in diesem Augenblick bin ich nur eine Stimme am Telefon. Informieren Sie Ihre Kollegen etwa jedes Mal, wenn Sie mit irgendwem was trinken gehen?«
»Sie sind aber nicht einfach irgendwer, oder?«
»Wovor haben Sie denn Angst? Ich geh doch hier das Risiko ein.«
»Angst? Ich hab keine Angst.«
»Warum flüstern Sie dann?«
»Ich flüster doch gar nicht«, flüsterte sie noch leiser, als sie unwillkürlich sowieso schon geworden war.
Er lachte. »Und, was sagen Sie?«
»Moment, Sie wollen sich mit mir in ’nem Pub treffen, live und in Farbe. Woher wollen Sie wissen, dass nicht die Hälfte der Gäste aus Zivilpolizisten besteht, die Sie hochnehmen wollen?«
Diesmal lachte er lauter. »Das würde ich merken. Bullen brauchen keine Uniform, damit man blau sieht. Die Farbe lässt sich nicht abwaschen. Auch wenn sie manchmal etwas verblasst«, fügte er schelmisch hinzu.
»Falls ich mich darauf einlasse, dürfen Sie nie vergessen, was ich bin«, warnte sie ihn und wies seine Andeutung zurück, fürchtete aber gleichzeitig, dass sie eine zu große Sache daraus machte. »Sie haben keinen sinnvollen Grund, mir zu trauen, und da Sie mich schon einmal reingelegt haben, bin ich Ihnen was schuldig, schon vergessen?«
»Ich weiß genau, was auf dem Spiel steht. Aber im Moment hab ich eine ziemlich gute Hand. Wenn ich reinkomme und das Gefühl kriege, dass es eine Falle ist, geh ich einfach wieder. Bevor ich mich nicht vorgestellt habe, wissen Sie nicht, wie ich aussehe.«
»Aber danach gibt es kein Zurück mehr.«
»Das ist keine Verabredung mit dem Schicksal; wir trinken nur zusammen etwas. Danach können wir auch einfach so tun, als wäre es nie geschehen.«
»Nach dem Fußballspiel zurück in unsere Schützengräben kriechen?«
»Der Krieg ist vorbei. Ihr habt verloren.«
»Warum sind Sie dann noch hier?«
»Vielleicht gehört das zu den Dingen, über die wir nicht sprechen werden.«
»Vielleicht. Meinetwegen. Immerhin haben Sie nicht gesagt, dass ich der Grund bin.«
»Hätten Sie mir das abgekauft?«
»Sie haben mich schon mal reingelegt, Mann. Seitdem bin ich misstrauisch.«
»Heißt das, Sie
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