Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)
einen Durchsuchungsbefehl brauchen, und selbst dann war es unwahrscheinlich, dass Jarry sich mit seinem echten Namen registriert hatte. Die Bestellung war mit einem (unvermeidlichen) Hotmail-Konto aufgegeben worden, das mit jarry@ anfing.
Hätte sie Shaw von den Blumen erzählt, hätte sich die Ermittlung sofort auf sie konzentriert, was den absoluten Verlust ihrer Privatsphäre bedeuten würde – Beschattung, abgehörtes Telefon und was nicht alles – ganz zu schweigen von den kindischen Anspielungen, die sie sich hätte gefallen lassen müssen. Nichts da!
Die Blumen standen jetzt in einem Glas auf dem Kaminsims und machten sich im Zimmer wirklich gut, lenkten sie aber mehr ab als ein voll aufgedrehter Fernseher. Mogwai und Merlot lösten bei ihr oft mal eine sonntagabendliche Sinnsuche aus, aber der Strauß hatte ihre Grübelei in eine seltsame, gefährliche Richtunggelenkt. Viele Fragen, wenige Antworten und nur ein Schluss: Sie behielt die Sache auch dann noch für sich, wenn die Blumen schon lange verwelkt und entsorgt waren. Niemand musste es erfahren, niemand würde es erfahren und niemand durfte es erfahren.
Als sie wieder oben war, fürchtete sie, dass daraus nichts werden würde – Shaw wartete an ihrem Schreibtisch auf sie. Sie erinnerte sich aber daran, dass auch die echten Bullen von früher keine Gedanken lesen konnten, blieb gelassen und wartete ab, was er von ihr wollte.
»Sir?«
»Dieser Athena«, sagte er. »Mich interessiert die Dynamik zwischen ihm und den anderen. Sie sind doch mit ihm aneinandergeraten, kurz bevor er den Dings erschießen wollte.«
»Jarry.«
»Genau. Was war da los? Was meinen Sie, wie Athena dazu passt?«
»Nicht besonders gut, viel mehr kann ich auch nicht sagen. Die Feindseligkeit zwischen den beiden saß tief. Ich hatte den Eindruck, dass Jarry ihn schon mal hatte runterputzen müssen, aber dass Athena nichts daraus gelernt hatte. Jarry hat Athena gesagt, er wäre schlicht und einfach zu dumm, um sich mit ihm anlegen zu können.«
»Kein Zweifel. Und doch nehmen sie ihn zum großen Überfall mit. Irgendetwas passt hier nicht zusammen. Sonst haben sie kein Detail dem Zufall überlassen, warum schleifen sie diesen Risikofaktor mit?«
»Vielleicht haben sie ihn präzise einkalkuliert, Sir. Als ich gerade im Gebäude war, dachte ich erst, die würden die Guter-Räuber/Böser-Räuber-Masche mit mir abziehen. Aber nein, je länger ich darüber nachdenke, desto sicherer bin ich mir, dass sie ihn benutzt haben.«
»Benutzt?«
»Haben die mich doch auch. Ich musste doch mit runter zum Tresor kommen und mir die angeblich unberechenbaren Sprengsätze ansehen. Wahrscheinlich war ich ursprünglich nicht eingeplant – eine Geisel hätte es auch getan – aber ich als Polizistin war natürlich noch viel besser.«
»Und wie haben sie Athena benutzt?«
»Das weiß ich nicht genau, aber ich glaube, sie haben sich einfach darauf verlassen, dass er er selbst ist. Jarry ist wirklich nicht dumm und hat Athena absolut durchschaut, also hätte er ihre kleine Meinungsverschiedenheit sicher entschärfen können – wenn er gewollt hätte. Er hat Athena provoziert, damit er die Waffe abfeuert – und die Fahne im Lauf beweist, dass sie über kurz oder lang damit gerechnet haben – und Jarry hat es vor einer Zeugin, aber außer Sichtweite der Geiseln geschehen lassen.«
»Was, wenn er unten geschossen hätte? Ein großes Risiko, oder?«
»Die Geiseln hätten nicht ahnen können, dass die anderen Waffen auch Attrappen waren, schon gar nicht, wenn Athena offensichtlich als Außenseiter hingestellt worden wäre. So konnte Jarry Athena aber am sichersten mitteilen, dass er ihn ausgespielt hatte.«
»Deshalb hat Jarry ihn mit nach oben genommen. Und natürlich als menschlichen Schutzschild, wie Sie schon sagten.«
»Hmm.« Angelique entdeckte jetzt erst eine weitere Verbindung.
»Was?«
»Mir wird gerade klar, dass es noch eine andere gute Erklärung gibt: Gleichzeitig sollte unten etwas geschehen, was Athena nicht sehen durfte.«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel sollte das Geld gebunkert werden. Weder ich noch die Geiseln wussten, dass der Safe geöffnet worden war, warum sollte Athena es dann wissen? Keine Chance, dass der in den ganzen Plan eingeweiht war. Ich konnte sein Gesicht zwar nicht sehen, aber er war ernsthaft sauer, weil er glaubte, dass der Überfall schieflief. Das hat er mehrfach erwähnt, und ich halte es für unwahrscheinlich, dass er von den Fünfen das echte
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