Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)
Zufall, wenn man bedenkt, was die offensichtlich von dem Kerl halten.«
»Und doch«, überlegte Shaw laut, »hat der Anführer ihn mit nach oben genommen, um Sie abzufangen. Vielleicht haben sie ihn als zuverlässigen Mann fürs Grobe gesehen.«
»Nein, Sir, um ihn wäre es einfach am wenigsten schade gewesen, wenn er dabei von der Polizei erschossen worden wäre.«
»Hört sich gut an.«
»Einer Zeugenaussage nach hatten sie ihn auch am Eingang postiert, bevor sie das Glas übersprüht haben«, meldete sich ein anderer Kollege zu Wort. »Wenn einer eine Kugel abbekommen musste, dann er.«
Shaw nickte nachdenklich. »Der Kerl ist wahrscheinlich unser bester Ansatzpunkt. Er passt nicht zu den anderen, und es ist eindeutig, dass die ihn weder mögen noch ihm vertrauen, aber warum ist er dann dabei? So etwas wie die anderen haben wir noch nie gesehen, aber er ist ein absoluter 08/15-Straßenkrimineller, wie ist er also da reingeraten? Weil er sich vor Ort auskennt? Die Verbindung zwischen ihm und den anderen ist ihr Schwachpunkt,wenn wir nur herausfinden können, worin sie besteht. Außerdem ist er für mich auch der, der hinterher am ehesten Mist baut, vielleicht auffällig sein Geld verprasst. Hören wir uns mal bei unseren Freunden auf der Straße um, mal sehen, ob jemand etwas gehört hat. Wenn wir Athena finden, verpfeift er die anderen garantiert.
Dann haben wir die Waffenattrappen – ich will wissen, wo die herkommen. Ironischerweise sind die heutzutage leichter zurückzuverfolgen als die echten, also ran da. Was ist mit dem Juckpulver? Woraus besteht es? Sind die Inhaltsstoffe frei verkäuflich oder könnte man sie zurückverfolgen? Dann muss noch jemand Kontakt zu Interpol herstellen, ob die Spinner schon mal woanders zugeschlagen haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die genau dasselbe schon mal gemacht haben, sonst hätten wir es in den Nachrichten gesehen, aber ihr erster Coup war das bestimmt nicht.«
Die Kollegen schrieben eifrig mit und nickten entschlossen. Sie konnten es kaum erwarten, und dafür wäre Shaws Motivationsansprache nicht mal nötig gewesen. Angelique wusste, wann Polizisten sich für ihren Job begeisterten, und das hier brachte auf jeden Fall mehr Spaß als der ganze Alltagskram. Sie waren von den Räubern absolut deklassiert worden, also ging es hier um ihre Ehre, und da bisher keine Toten zu beklagen waren, war die Stimmung auch ziemlich locker.
Shaw klatschte in die Hände, um noch einmal die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. »Bevor Sie alle an die Arbeit gehen: Habe ich irgendetwas vergessen?«
»Ja, Sir. Da wäre noch die Kleinigkeit, dass Mr Jarry einer Polizistin nach einer seltsamen, fast flirthaften Zusammenkunft der Seelen während des Überfalls Blumen geschickt hat«, sagte Angelique nicht. Stattdessen beobachtete sie, wie die Besprechung sich auflöste und ging dann wieder nach oben. Das war ihr erster Verrat gegenüber der Polizei, so geringfügig er auch sein mochte. Sie hatte gewusst, dass er kommen würde, dass sie schweigen würde, aber erst jetzt, als sie die Gelegenheit zur Aussprache hatte verstreichen lassen, wurde ihr klar, was sie getan hatte. Im Vergleichmit den fragwürdigen Verhaltensweisen, die manche ihrer Kollegen sich gern schönredeten, war es wirklich nicht schlimm, aber sie spürte eine innere Zerrissenheit, als würde sie den Gewinn einer Wette einstreichen, bei der sie heimlich auf die Niederlage ihrer Mannschaft gesetzt hatte. Sie hatte zweifellos eine Grenze überschritten.
Aber dieser kleine Verrat würde ja keinen größeren nach sich ziehen. Wenn sie es zugegeben hätte, hätte ihr das große Schwierigkeiten gebracht, aber nicht viel zum Fall beigetragen. Sie hatte die Blumen natürlich selbst zurückverfolgt. Ein Via-Flora-Kurier hatte sie bei ihren Eltern abgegeben. Sie hatte die Filiale angerufen, wo man ihr erklärte, der Eilauftrag mit Lieferung innerhalb einer Stunde sei über die zentrale Website des Unternehmens eingegangen. Dann hatte sie sich mit der Via-Flora-Zentrale in Walsall in Verbindung gesetzt, weil sie die Kreditkarte überprüfen wollte, aber, wie sich herausstellte, war die Bestellung mit Internet-Credits bezahlt worden. Die konnte man mit Bargeld in jeder Post kaufen, und außerdem war das System x-fach geschützt, damit niemand online die Identität des Kunden annehmen konnte. Wenn sie herausfinden wollte, wem die Credits gehört hatten, mit denen der Strauß bezahlt worden war, würde sie weit mehr als
Weitere Kostenlose Bücher