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Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)

Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)

Titel: Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Brookmyre
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einen Vorteil, aber er hatte schon viel zu verarbeiten. Nach Folsom hätte er schon von ein paar Drinks mit seinen Freunden monatelang emotional zehren können. Stattdessen arbeiteten sie (soweit erfolgreich) am riskantesten Coup ihres Lebens, und das auch noch in diesem Nimmerland seiner Kindheit, wo er nach und nach einzelne Fragmente der Form fand, aus der der Mann entstanden war, der wiederum ihn geformt hatte, zum Guten wie zum Schlechten.
    Er hatte den Wiedersehensdrink mit seinen Freunden bekommen; der verblasste allerdings neben den anderen großen Momenten seit seiner Bewährung. Wunderbar war zum Beispiel gewesen, als er Stunden nach seiner Entlassung die Bewährungsauflagen brach, indem er nicht nur den Bundesstaat, sondern gleich das Land und den Kontinent verließ.
    Sie hatten alle am Glasgow Airport auf ihn gewartet. Es gab keine High-Fives, keine großen Gesten, sie lächelten nur selbstbewusst, weil sie alle ganz genau wussten, warum sie hier waren. Die anderen waren schon einen knappen Monat dort, als Zal aus dem Gefängnis dazukam, und hatten ausgespäht, nachgeforscht, bestätigt und vorbereitet. Wie Zal von seinem Dad gelernt hatte, musste schon alles an seinem Platz sein, bevor man die Bühne betritt.
    Jeder von ihnen hatte ihn mal besucht, während er saß, aber da der Weg weit war, hatte nur Karl es mehrmals geschafft, weil er in Kalifornien wohnte. Jerome war nach der Entlassung wiederzu seiner Familie nach Vermont gezogen, und Leo war bei seiner Schwester in New York untergekommen. Die beiden hatte er seit über zwei Jahren nicht mehr gesehen.
    Sie sahen alle verdammt gut aus, vielleicht lag das aber auch an ihm. Niemand macht sich durch Stahlstäbe oder Panzerglas gut, egal auf welcher Seite er sitzt. Karls letzter Besuch in Folsom war erst zwei Monate her, aber auch er sah anders aus, als sie jetzt alle die Luft der Freiheit atmeten. Er wusste nicht genau, was es war: kein greifbares Detail, sondern eher eine Aura, ein Gefühl, wie sie sich hielten, wie sie gingen und lachten. Keiner von ihnen wirkte mehr so gehetzt, reuevoll und gequält von der gemeinsamen Schuld.
    Ihre Chance war gekommen. Ihnen allen war klar, was auf dem Spiel stand, und jeder war glücklich, dabei zu sein. Zal konnte aber nicht sagen, dass es wie früher war, denn sie wussten, dass die alte Zeit vorüber war, dass sie jetzt andere Menschen waren, aber das machte jede Sekunde nur noch kostbarer.
    Leo und Jerome zickten einander immer noch so erbarmungslos an wie früher, aber es wirkte eher wie die bewusste Parodie der Feindseligkeit, die sie früher beide mit perverser Freude befeuert hatten; wie Spock und Pille in den Star-Trek -Filmen im Gegensatz zur alten Serie. Damals hatten ihre verbalen Schlagabtäusche immer gedroht, in gefährliche Regionen abzudriften, weil die beiden einfach keine Grenzen kannten. Jetzt bestand aber kein ernstes Eskalationsrisiko mehr, weil keiner sich von der Arbeit ablenken ließ. Außerdem kannten sie heutzutage die verwundbaren Stellen des anderen nur zu genau. Früher hatten sie sich spielerisch angegriffen wie Tigerjunge, weil sie noch nicht wussten, was echter Schmerz war.
    Keiner, der nicht ihre gemeinsame Geschichte kannte, konnte sich vorstellen, dass die beiden Freunde waren. Als Beispiel folgt ein Abtausch der beiden, der auf Jeromes Einwand gegenüber Leos eher nebensächlicher Auswahl des Beckett-Stücks folgte, das sie den Geiseln vorspielen wollten:
    »Jetzt reicht’s. Jetzt reicht’s, verdammte Scheiße. Heute Abendsuch ich mir ’ne Schlampe, die ihn hinten reinnimmt, dann zieh ich sie an wie ’ne verzogene weiße Privatschulschwulette mit Schlips und allem und nenn sie Jerome. Und wenn ich sie dann fick, in den Arsch, wie gesagt, dann kann ich sie ja mal fragen, was ihr so durch den hohlen, kleinen Schädel geht, und vielleicht versteh ich dann ansatzweise mal, wie es bei dir im Kopf aussieht.«
    »Weißt du, Leo, je mehr ich gezwungen bin, es mit dir auszuhalten, desto glücklicher bin ich darüber, dass meine Vorfahren Sklavenhalter waren.«
    Zal wusste nicht, ob einem Beobachter mit der Information geholfen wäre, dass der theatralisch weibische (aber ganz und gar heterosexuelle) Jerome dem Vermonter Landadel entstammte oder dass Leo schwul war. Zal selbst hatte vor langer Zeit den Versuch aufgegeben zu verstehen, was zwischen den beiden lief, und bestaunte das Spektakel lieber aus der Ferne.
    So viele wunderbare Momente. Wenn er sich aber nur einen hätte

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