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Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)

Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)

Titel: Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Brookmyre
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Allerwertesten, und Sie haben es, in der vulgären, modernen Ausdrucksweise, ›gepackt‹. Alternativ können Sie sich auch einen buschigen roten Schwanz wachsen lassen und sich Basil nennen. Füchse und Sodomiten haben es gut in der Postdevolutionsapokalypse. Würden Sie gern einen sechzehnjährigen Jüngling in den Arsch ficken? Ist uns recht. Wir wollen ja nicht Ihre Menschenrechte einschränken, während Sie einen verwirrten, verletzlichen Schuljungen schänden. Was war das? Sie möchten ein Kind adoptieren? Großartig. Niemand darf behaupten, dass Ihr Hang zur Analpenetration kaum Pubertierender da ein Hindernis darstellen sollte. Wir wissen doch, wie sehr Sie Kinder lieben. Deshalb haben wir auch alle juristischen Hürden entfernt, die Ihnen Ihre Propaganda in der Schule erschweren würden.
    Bitte? Das Bildungssystem ist im Eimer? Die Standards rutschen schneller ab als das Spitzenhöschen einer alleinerziehenden Mutter, wenn die Miete fällig ist? Die Kriminalitätsrate steigt? Wir schwenken im Krieg gegen die Drogen die weiße Fahne? Ach bitte, nun machen Sie deswegen doch nicht so ein Theater! Wir leben nun mal in einer fürsorglichen, liberalen Gesellschaft, wussten Sie das noch nicht? Und wir haben auch die flauschigen, kleinen Füchslein so schrecklich lieb. Wir können einfach nicht dulden,dass man ihnen auch nur ein Haar auf ihrem süßen, kleinen, geifernden Raubtierkopf krümmt. Wir sind nämlich so fürsorglich. So fürsorglich, dass es wehtut. Bei all dem Leid in unserer kalten, bösen Gesellschaft blutet uns nämlich das Herz. Deshalb müssen wir die Rechte der Verbrecher schützen, denn wie sonst können wir ihnen den Seelenschmerz nehmen, der sie zu solchen schlimmen Taten zwingt. Deshalb müssen wir auch das Recht aller Homosexuellen verteidigen, einander die Hoden an eine Holzplanke zu nageln, wenn ihnen danach ist. Und wehe, Sie nennen sie dafür pervers, Sie engstirniger Fanatiker! Heutzutage ist nichts mehr pervers, wussten Sie das nicht? Pornografisch schon gar nicht. Das nennt man heute alles freie Entfaltung, müssen Sie wissen. Ob die sich nun in einem Arschfick in der öffentlichen Toilette oder in Hardcore-Sexvideos in einer staatlichen Kunstgalerie niederschlägt, denn all das zelebriert in den schillerndsten Farben die condition humaine.
    Und diese freie Entfaltung dürfen wir in unserem neuen, liberalen, vorwärtsgewandten Schottland doch niemandem verbieten. Ach, außer natürlich den weißen, heterosexuellen Christen, denen die Unschuld unserer Jugend etwas bedeutet, und die ansatzweise wissen, was das Wort Moral einst bedeutete. Diese Leute sind der Abschaum unserer Gesellschaft und müssen um jeden Preis mundtot gemacht werden.
    Walter Thorn machte sich keine Illusionen: Er war praktisch ein Gesetzloser. Er hatte sich zahlreicher Gedankenverbrechen schuldig gemacht und trotzte dem Wandel. Für seine Überzeugung wurde er von einem Regime verfolgt, das sich ohne jede Spur von Ironie ›Toleranz‹ und ›Offenheit‹ auf die Fahnen schrieb. Oh ja, wie tolerant wir sind, wir tolerieren bloß nicht jeden. Schläger, Junkies, Schnorrer, Päderasten, Mörder, Gotteslästerer, Pornografen und Perverse – all die tolerieren wir, aber irgendwo müssen wir eine Grenze ziehen, und ihr ›Dinosaurier‹ mit euren ›Wahnvorstellungen‹ steht auf der falschen Seite.
    Um Gottes willen, seit wann sind denn Anstand, Moral und Werte Wahnvorstellungen? Schwer zu sagen. Vor langer Zeit begann es an den wichtigen Stellen langsam zu faulen und zu rotten, aber den offiziellen Stempel bekamen wir am 1. Mai 1997 aufgedrückt.
    Seitdem stand er auf der Abschussliste der Gedankenpolizei. Die trieb zwar keine Leute zu Massenerschießungen in Fußballstadien zusammen (zumindest noch nicht), aber als bekannter Dissident war sein Verschwinden dennoch beschlossene Sache. Auch das geschah nicht mit einem plötzlichen Hämmern an der Tür mitten in der Nacht, sondern quälend langsam im Laufe der Zeit. Früher war er der oberste Redenschreiber für zwei verschiedene Schottland-Minister gewesen: für Howard Clark und den tragischen, missverstandenen Alastair Dalgliesh. Er war für seinen Witz, seine Klarheit und seine Leidenschaft gelobt und gefeiert worden; ob sie den Eifer ihrer Anhänger befeuert oder ihre Feinde in Angst und Schrecken versetzt haben wollten, er erzielte die gewünschte Wirkung. Walter Thorn war der Linken der schlimmste Dorn im Auge. Doch diese Feinde vergaßen nicht und würden nie

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