Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)
Undercover-Mission für Sie.«
»Was?«
»Haben Sie schon mal von FucK gehört?«, fragte sie.
»Bitte?«
» Familie und christliche Keuschheit. Das ist eine neue Interessengruppe, die mehr oder weniger aus der Asche von Families for Innocence und so weiter auferstanden ist.«
An Families for Innocence konnte er sich noch gut erinnern, denn er hatte die Gruppe als »Beginn einer Flutwelle« von normalen Menschen gelobt, die sich gegen den Dogmatismus der Regierung auflehnten. Sie war vor ein paar Jahren in die Schlagzeilen gekommen, als sie eine schottlandweite Mahnwache vor den Greencross-Drogerien organisiert hatte. Greencross hattesich mit Holyrood verschworen und wollte in seinen größeren Filialen ›Beratungsstellen‹ für Jugendliche einrichten, denen natürlich zu möglichst viel Sex geraten werden würde, damit sie bei dem selbstlosen Sponsor des Programms Unmengen von Verhütungsmitteln kauften. Die Gruppe war nach einer großen Medienhysterie aufgelöst worden, als ein paar Greencross-Mitarbeiterinnen angeblich während der Mahnwachen angegriffen worden waren. Eine hatte sogar behauptet, ihr sei Säure ins Gesicht gespritzt worden. Das war zweifellos das Werk von Unruhestiftern gewesen, die die Gruppe infiltriert hatten und diskreditieren wollten. Doch in den Medien wollte das natürlich niemand durchschauen.
»Die treibende Kraft hinter FFI war Liam McGhee, der sich seitdem vielseitig engagiert. Zum Beispiel bei den Marie-Stopes-Protesten letztes Jahr und bei der großen Aufregung um Verbindungen mit Operation Rescue.«
»Ich weiß, wen Sie meinen.«
»Er hat auf jeden Fall vor ein paar Monaten FucK gegründet, und die Gruppe hat ein viel umfangreicheres Programm als vorher. Jetzt geht es ihnen nicht mehr nur um Abtreibung und Verhütung. Er sagt, sie wollen ›dem politischen Elfenbeinturm die moralische Realität nahebringen‹ oder so ähnlich. Bisher haben sie keinen großen Eindruck hinterlassen; viele hatten geglaubt, nach den Reaktionen auf die Gründung hätte McGhee gleich das Handtuch geworfen, aber wie es aussieht, hat er nur auf seinen großen Einsatz gewartet. Es heißt, die Gruppe plane mehrere Aktionen im großen Stil.«
»Und was hab ich damit zu tun?«
»Ich möchte, dass Sie da Mitglied werden. Engagieren Sie sich. Bleiben Sie am Ball und liefern Sie hinterher die exklusive Insider-Story. Genau so etwas brauchen wir doch – die Verbindung traditioneller Werte mit einer modernen Dynamik. Das zeigt, dass Konservative auch ein bisschen Rock ’n’ Roll, ein bisschen Action können. Dass man seinen moralischen Standpunkt auch mit anderen Mitteln vertreten kann als mit einem feurigen Leserbrief,bevor man zum Lawn Bowling geht. Hier ergreifen die Leute die Initiative. Das ist Leidenschaft, das ist sexy.«
Sexy. In der Tat. Das passte ja großartig zu ihm.
Walter dachte noch bis spät in die Nacht darüber nach und ging irgendwann nach unten, als sein Hin-und-Her-Gewälze seine Frau Mary selbst über die Lücke zwischen ihren Betten hinweg störte. Er saß bis kurz vor Sonnenaufgang im Büro und trank beim Grübeln fast eine ganze Flasche Gerstenwasser aus (es war eben eine von diesen Nächten).
Er war kurz davor, die ganze Sache hinzuschmeißen. So spät in seiner Karriere noch undercover arbeiten? Das war etwas für die jungen, eifrigen Greenhorns, die sich noch etwas beweisen mussten und auch nicht so recht Nein sagen konnten, wenn sie es in der Branche schaffen wollten. Walter Thorn musste niemandem mehr etwas beweisen, schon gar nicht so einer Eintagsfliege im Minirock, die nicht mal kapierte, dass sie bloß als Deko angestellt worden war, weil der Verlag sich in diesem traurigen Zeitalter der positiven Diskriminierung ›frauenfreundlich‹ zeigen wollte.
Wahrscheinlich erwartete sie, dass er sich weigerte, bevor er den Auftrag überhaupt verbocken konnte. Dann konnte sie ihn feuern, ohne dass ihr jemand einen Strick daraus drehen würde. Er sollte einfach sang- und klanglos verschwinden und Platz für die neue Generation machen, Gott steh uns bei! Wenn selbst das moralische Rückgrat der Daily Post einknickte, war das ein Zeichen düsterer Zeiten. Überhaupt brachen überall die journalistischen Standards ein. Man musste sich ja nur mal den Unfug ansehen, den sie alle über das Fiasko mit dem Bankraub auf der Buchanan Street geschrieben hatten:
» SURREAL LEERER SAFE – KUNSTRAUB MAL ANDERS «
» SAMSTAGSMALER – AVANTGARDE - RÄUBER SCHLAUER ALS DIE POLIZEI
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