Die Holzhammer-Methode
Rausschmeißerin. Schon mancher Gast, der sich nicht benehmen konnte, hatte sich schneller vor der Tür wiedergefunden, als er hineingekommen war. Manu war nicht zimperlich, doch wer in ihrer Gunst stand, der erhielt auch mal einen Drink umsonst. Und wer gerade gar kein Geld hatte, konnte manchmal erleben, dass sein Weißbierglas sich auf wundersame Weise trotzdem füllte, wenn er gerade nicht hinsah.
Einer, dem das immer mal wieder passierte, war der kleine Mönch. Er war einer von drei Gottesdienern, die immer noch das örtliche Franziskanerkloster bevölkerten. Er kam regelmäßig mit drei Euro Startkapital, die er den ganzen Abend über krampfhaft festhielt. Er war allgemein beliebt, hörte sich mit viel Humor durchaus unchristliche Witze an und erzählte auch selbst hin und wieder aus dem Klosterleben. Zum Beispiel die Geschichte, wie er sich ein Fitnessgerät bestellt hatte, das auch nach Wochen nicht geliefert wurde. Als er schließlich beim Versender anrief, sagte man ihm, der Lieferant sei da gewesen, aber als er die Kirche gesehen habe, sei er wieder weggefahren. Er dachte, die Bestellung sei ein Witz gewesen.
Manchmal geschah es auch, dass sich Leute mit ihren Problemen an den kleinen Mönch wandten wie an einen Beichtvater. Er nahm deren Sorgen dann sehr ernst und verzweifelte manchmal fast, wenn er jemandem nicht helfen konnte. Er musste noch lernen, damit zu leben, dass es nicht für alle Probleme eine Patentlösung gab.
Nach Manus Meinung hätte er auch noch etwas ganz anderes lernen sollen, denn er war jung, und sie fand ihn sehr niedlich. Doch da biss sie auf Granit. Manch anderer Gast ihrer Kneipe war hingegen auch schon Gast in ihrem Bett gewesen. In den Augen vieler Einheimischer – vor allem weiblichen Geschlechts – war Manu daher nicht wirklich gesellschaftsfähig. Umso mehr bemühte sie sich um die zahlreichen Künstler und Sportler, die bei ihr verkehrten. Und wenn in dem Zelt auf dem Großparkplatz mal wieder eine Musicalpremiere stattfand, dann saß sie mit ihrer Freikarte, die sie vom Bandleader höchstpersönlich erhalten hatte, in der ersten Reihe neben den Honoratioren.
Matthias scherte sich nicht um diese Dinge. Er selbst hatte sich in seiner Jugend oft anhören müssen, er sei ein Taugenichts, vor allem von seinem Onkel. Und das nur, weil er Motorrad fuhr und lange Haare hatte.
Bei Manu angekommen, führte Matthias Christine zu der Ecke, in der er schon bei ihrem ersten Besuch gesessen hatte – als sie ihn noch für einen Steinzeitmann hielt. Und einer, den sie ebenfalls zuerst in diese Schublade gesteckt hatte, war auch schon da: der bodenständige Polizist vom letzten Mal.
«Hallo, schöne Frau, und servus, Matthias. Gratulation», begrüßte er sie.
Christine starrte ihn an. Hatte dieser Holzhammer Matthias tatsächlich gerade zu seiner Beute gratuliert? Sie fragte sich, ob es sich bei dem Polizisten eventuell doch um einen echten Neandertaler handelte. Aber bevor sie sich einen Reim auf dieses prähistorische Geschlechterverhalten machen konnte, lenkte er ihre Aufmerksamkeit auf ein anderes Thema. Holzhammer erzählte von seinem heutigen Einsatz. Wie der Penner die Tote gemeldet hatte und von seinem Ausflug zur Berghütte. Christine hatte den Hubschrauber schon fast vergessen gehabt. Doch jetzt fiel ihr plötzlich die Serviette wieder ein, und sie fragte besorgt, wer die Frau gewesen sei.
«Jemand aus der Klinik. Eine sechzigjährige Frau namens Mathilde Zechner.» Holzhammer sah keinen Grund, diese Information zurückzuhalten. Am Montag würde sie ohnehin in der Zeitung stehen.
Christine war erschüttert. Die Frau hatte gestern noch in ihrem Sprechzimmer gesessen. Es war die nette ältere Dame, die sich so für ihre Tochter und Enkelin aufgeopfert hatte. Ein solches Ende hatte diese Frau nicht verdient. Christine hatte doch so daran gearbeitet, dass Mathilde Zechner, die so lange nur für andere da gewesen war, jetzt endlich auch selbst ein paar schöne Jahre erlebte. Die anderen hatten ihr Entsetzen bemerkt und schauten sie fragend an.
«Die Frau war doch total fit!», rief Christine, als könnte man etwas an dem Tod ändern, indem man dem Schicksal nachträglich noch ein paar Gegenargumente lieferte. Das Schlimmste konnte sie jedoch gar nicht aussprechen. Sie selbst hatte der Frau zu ausgedehnten Spaziergängen geraten. War dieser Rat tödlich gewesen?
«Wann ist sie denn überhaupt gestorben?», fragte Christine schließlich. Vielleicht waren es ja Umstände
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