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Die Holzhammer-Methode

Die Holzhammer-Methode

Titel: Die Holzhammer-Methode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fredrika Gers
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geltungssüchtiger deutscher Hauptmann kam auf die Idee, dass das Ganze noch wesentlich spektakulärer aussehen würde, wenn die Hubschrauber niedriger und noch dichter zusammenfliegen würden. Die Piloten sagten dem Hauptmann, dass es völlig idiotisch sei, ausgerechnet für ein Manöver die Sicherheitsabstände zu missachten. Das machte man im Krieg, wenn es nicht anders ging, aber nicht zu Showzwecken. Als der wütende Hauptmann endlich abgezogen war, kam es zur konspirativen Völkerverständigung. Die Gebirgsjäger aus der Strub und die amerikanischen Piloten steckten die Köpfe zusammen. Der Hauptmann sollte eine Show bekommen – und zwar eine, die seine Phantasie weit in den Schatten stellte. Sie kamen überein, dass die Gebirgsjäger nicht schräg an der Tribüne vorbei, sondern genau darauf zu laufen sollten …
    Der große Tag kam, und die Alpinsoldaten rannten durchs Unterholz auf die Tribüne zu. Als ihr Funkgerät anfing zu fiepen, stellten sie sich taub. Klar, da wollte ihnen jemand sagen, dass sie den falschen Kurs hatten, aber so ein Funkgerät kann ja auch mal kaputt sein. Die Jäger rannten weiter, das Gewehr im Anschlag. Da hörten sie auch schon das Dröhnen der Rotoren. Direkt vor der Tribüne warfen sie sich ins Gras. Rotor an Rotor donnerten zwölf Black Hawks über sie hinweg – und in einer Höhe von weniger als zwanzig Metern genau über die Tribüne. Die Gebirgsjäger lagen direkt vor dem Podium, quasi in der ersten Reihe. Von dort konnten sie aus nächster Nähe zusehen, wie sich ihr Verteidigungsminister und ihr Standortkommandant in blinder Panik unter eine Bank schmissen.
    Holzhammer und Matthias waren sich einig, dass dies das absolute Highlight ihrer Bundeswehrzeit gewesen war. Am nächsten Tag waren alle Beteiligten zum Kommandanten zitiert und verhört worden. Warum war der Zug den falschen Kurs gelaufen? Keine Ahnung, Kompass kaputt, war die einhellige Antwort. Funkgerät ging irgendwie auch nicht, kann halt mal passieren. Und warum waren die Piloten ebenfalls den falschen Kurs geflogen? Ganz klar, sie sollten die deutschen Gebirgsjäger beschützen. Da mussten sie ja wohl fliegen, wo die Deutschen liefen.
    Es hatte keinerlei Nachspiel gegeben, keine Disziplinarverfahren, keine Pressemeldung. Der ganze Vorfall wurde komplett und professionell totgeschwiegen. Aber sie waren dabei gewesen. Matthias als Wehrpflichtiger und Holzhammer als Feldwebel. Und sie hatten anschließend mit den Amis mächtig einen gesoffen.
    Eine andere Story aus der Wehrdienstzeit war weniger lustig. Matthias erzählte von einem Unteroffizier, der seine Autorität dadurch beweisen wollte, dass er die Leute körperlich fertigmachte. So schickte er seine Mannen, als sie auf einem Berggipfel angekommen waren, direkt wieder runter ins Tal, nur um denselben Berg gleich noch einmal zu besteigen. Auf halber Höhe hatte Matthias dem Unteroffizier dann erklärt, sie gingen jetzt nicht mehr weiter, weil einige zu erschöpft seien. Dann hatte er sich auf einen Stein gesetzt. Der Vorgesetzte drohte ihm daraufhin mit disziplinarischen Maßnahmen und wurde ausfallend: «Du Arschloch, ich sorg dafür, dass du aus’m Bau nimmer aussi kimmst!» Matthias, der auf dem Stein sitzend ungefähr so groß war wie der Feldwebel im Stehen, hatte bloß geantwortet: «Wenn du ned gleich stad bist, sorg ich dafür, dass du von diesem Berg nimmer obi kimmst.»
    An dieser Stelle hatte sich ein anderer Soldat eingemischt. Er war ausgebildeter Bergführer und kannte sich mit Erschöpfungszuständen aus. In ruhigem Ton wies er den Unteroffizier darauf hin, dass einige seiner Leute bereits ganz blaue Lippen hätten. Und dass er selbst bald ein Disziplinarverfahren am Hals hätte, wenn er nicht jetzt sofort rasten und dann umkehren ließe.
    Unter lautem Fluchen hatte der Feldwebel schließlich klein beigegeben. Auch diese Sache hatte keinerlei Nachspiel gehabt.
    «Drohst du jedem immer gleich Prügel an?», fragte Christine Matthias. Bisher hatte sie ihn ausschließlich ruhig und entspannt erlebt. Allerdings hatte sie ihn auch erst dreimal gesehen.
    «Das war natürlich, bevor ich Buddhist wurde», erklärte er ein wenig verlegen. «Früher war ich total aggressiv und konnte überhaupt nicht mit Stress umgehen.» Der Buddhismus hatte sein Leben verändert. Heute fuhr er nur noch in absoluten Ausnahmefällen aus der Haut.
    Christine sah in die Runde. Hauptwachtmeister Holzhammer, der mehr kriminalistisches Gespür zu haben schien als sein

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