Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Holzhammer-Methode

Die Holzhammer-Methode

Titel: Die Holzhammer-Methode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fredrika Gers
Vom Netzwerk:
jemandem von der Klinik sprechen, um mehr über sie zu erfahren.
    Schließlich gelangte er zu dem Unterschlupf aus großen Feldsteinen mit dem morschen Holzdach. Innen bildeten drei halbierte Baumstämme eine U-förmige Bank, eine Tür gab es nicht. Niemand hatte irgendetwas abgesperrt. Es waren ja auch keine Spuren gesichert worden. Man hatte ein Foto gemacht und die Frau dann abtransportiert. Holzhammer trat ein und blickte sich um. Den Rucksack der Toten hatten die Rettungskräfte natürlich mitgenommen. Aber er fand noch die Wasserflasche unter der Bank sowie zwei Papierservietten mit dem Aufdruck der Klinik. Die Tote hatte also in der Hütte Brotzeit gemacht. Und den Unterschlupf dann nicht mehr lebend verlassen. Sie ist putzmunter, wandert hier vorbei, entdeckt die Hütte und setzt sich rein. Sie isst die Brote komplett auf – es lagen nur noch ein paar Krümel herum –, und dann stirbt sie? So ungesund konnte die Kost aus der Klinik doch gar nicht sein. Der Hauptwachtmeister holte einen Plastikbeutel aus der Hosentasche und steckte die beiden Papierservietten hinein. Die Wasserflasche nahm er ebenfalls mit.
    Als er wieder aus der Hütte trat, hatte der Himmel sich verfinstert. Die letzten Tage war es knochentrocken gewesen. Ein Gewitter war zwar überfällig, aber der Wetterbericht hatte nichts davon erwähnt. Das wusste Holzhammer ganz genau, denn sonst hätte er ja den Beton abgedeckt. Er zog das Handy aus der Tasche und überlegte. Seiner Frau Marie konnte er kaum zumuten, die dicke Plane aus dem Keller zu holen und über das trocknende Fundament zu breiten. Nein, er brauchte Andi. Notfalls musste der seine Arbeit im Stich lassen. Andi wohnte in Bischofswiesen und arbeitete zurzeit auf einer Baustelle unten am Triftplatz. Dort, wo die Banditen aus der Schönau den Berchtesgadenern gerade einen Haufen Supermärkte direkt vor die Nase setzten. So sahen es die Leute aus dem Markt zumindest.
    Holzhammer wählte die Nummer seines Sohnes. Zum Glück erklärte der sich sofort bereit, in die Stanggass zu fahren, um den Beton zu retten. Der Sohnemann war von Beruf Zimmerer und verstand somit genug von der Sache, um den Ernst der Lage zu erkennen. Erst als das geklärt war, machte Holzhammer sich an den weiteren Abstieg. Eine halbe Stunde später erreichte er die Mittelstation – gerade noch rechtzeitig.
    Auf der Fahrt nach unten sah er einige Wanderer, die sich ihre Jacken über die Köpfe hielten. Dicke Tropfen prasselten auf das Blechdach der Seilbahnkabine. Letztes Jahr hatte der TÜV einige Gondeln aus dem Verkehr gezogen – etwas, das ihm zum Glück nicht passieren würde. Er war Beamter. Und nie hatte er diesen Status mehr zu schätzen gewusst als in den letzten Jahren. Die meisten seiner Spezis waren Handwerker, Werkzeugmacher, Schreiner oder Bäcker, ihre Frauen Verkäuferinnen, Friseurinnen oder im Gastgewerbe beschäftigt. Was die in letzter Zeit von ihren Arbeitgebern angeschafft bekamen, das ging auf keine Kuhhaut. Die Abteilungsleiterin der Parfümerieabteilung im örtlichen Supermarkt musste neuerdings die Obstregale auffüllen. Und als sie das in Frage stellte, hatte man ihr gesagt, draußen warteten zehn Bewerber, die den Job mit Kusshand nehmen würden. Ein anderer Bekannter musste als Bäcker sieben Tage die Woche arbeiten. Da blieb das Privatleben komplett auf der Strecke. Das Nebengeschäft mit Ferienzimmern ging auch nicht mehr so wie früher. Es kamen zwar noch genauso viele Gäste, aber sie blieben nicht mehr so lange und feilschten oft um die Übernachtungspreise. Oder sie reisten gleich mit großen Busunternehmen an, die ihre Dumpingpreise auf Kosten der Zimmerwirte kalkulierten. Und viele machten heutzutage auf Selbstversorgung, anstatt ins Restaurant zu gehen. Sogar der Dönertürke hatte neulich gejammert: «Bei mir geht a nix mehr.» Auch in dem Supermarkt, wo seine Frau Marie arbeitete, ging es nicht mehr so gemütlich zu wie früher. Aber Marie ließ sich nichts anschaffen. Vielleicht half es auch, dass ihr Chef wusste, wo ihr Mann arbeitete. Völlig klar.
    Die Bahn war unten angekommen, und Holzhammer lief durch den strömenden Regen zu seinem Streifenwagen, den er zum Glück direkt vor der Bahn geparkt hatte. Auch in solchen Fällen half es, Polizist zu sein. Im Wagen überlegte er, was er nun mit seinen «Beweisstücken» machen sollte? Für eine aufwendige Laboruntersuchung der Wasserflasche brauchte er eine Genehmigung von seinem Chef. Und die würde der nicht erteilen. Wenn

Weitere Kostenlose Bücher