Die Holzhammer-Methode
sein Handy durch.»
«Tut mir leid, das ist nicht möglich. Aber Sie haben ja seine Piepser-Nummer.»
Fischer wusste, dass es möglich war. Und er wollte den Mann nicht anpiepsen, sondern sofort mit ihm sprechen. Er knallte den Hörer auf. Da er seinen Drehstuhl um hundertachtzig Grad nach hinten gedreht hatte, bemerkte er erst jetzt, dass sein anstrengender Untergebener ins Zimmer getreten war.
«Das fünfte Glas, der fünfte Laden», sagte Holzhammer. «Ach, und brauchst du die Handynummer vom Landrat?»
«Ja, verdammt.»
«Moment.» Holzhammer kramte sein Handy heraus. «Der Toni ist mit meiner Cousine verheiratet», erklärte er, während er im Nummernspeicher suchte. «Wir füttern immer ihre Katzen, wenn sie in Urlaub sind.» Er fand die Nummer und diktierte sie seinem Chef.
Der wollte schon wählen, da sagte Holzhammer: «Wir haben natürlich auch noch Tagesausflügler, die als potenzielle Giftopfer in Frage kommen.» Und zwar nicht zu knapp, das war ihm zwischen den diversen Telefonaten in seinem Zimmer eingefallen.
«Stimmt, aber die müssen wir jetzt erst mal vernachlässigen», entschied Fischer.
«Vernachlässigen?» Das konnte sein Chef ja wohl nicht ernst meinen.
«Ja, genau. Und jetzt besorgst du diese Meldezettel. Ich rede inzwischen mit dem Landrat – falls der sich nicht in einem Funkloch befindet.»
Doch genau das war der Fall. Er wohnte gerade in 2300 Metern Höhe der feierlichen Einsegnung eines Gipfelkreuzes bei. Das Kreuz war von einer Sektion des Alpenvereins aus den neuen Bundesländern aufgestellt worden, und der Landrat erhoffte sich von seinem persönlichen Engagement einen weiteren Aufschwung des Ost-Süd-Tourismus.
Am Eingang herrschte großer Andrang. Die nagelneue Therme hatte erst vor kurzem eröffnet, sie löste ein etwas betagtes Schwimmbad ab, dessen schimmelige Duschanlagen bereits mehrmals die Gesundheitspolizei auf den Plan gerufen hatten. Die neue Bergtherme hingegen war schick und teuer. Sie war ursprünglich ausschließlich für Gesundheitsanwendungen geplant worden, für betuchte Kurgäste, die sich in Alpensohle und Schlammbädern ihre Wehwehchen kurieren lassen wollten. Doch die Gemeinde hatte dem Investor zur Auflage gemacht, auch für Otto Normalurlauber ein attraktives Angebot zu machen. Dazu gehörte die Maßgabe, ein großes Außenschwimmbecken samt einer ausgedehnten Liegewiese mit Spielplatz anzulegen. Jetzt stand die Badverwaltung vor der Aufgabe eines Preisspagats, denn natürlich konnten Familien mit Kindern nicht so viel Eintritt zahlen, wie die Betreiber den Kurgästen gerne abgeknöpft hätten. Für den Wellnessbereich mit seinen verschiedenen Saunen, Dampfbädern, Aromarien und Lichtgrotten wurde daher ein erheblicher Aufpreis verlangt.
Mark buchte nur den Badebereich. Und nachdem die Familie sich umgezogen hatte, suchten sie sich einen Platz im hinteren Bereich der frisch angelegten Liegewiese. Tanja hatte gar nicht die Absicht, ins Wasser zu gehen. Sie war froh, einmal nichts tun zu müssen, während Mark mit den Söhnen Richtung Wasser abzog. Sie packte ihr Buch aus und entspannte sich.
Erst nach über anderthalb Stunden kamen ihre Männer aus dem Wasser zurück und bekundeten Hunger. Tanja verteilte die mitgebrachten Brote. Um Streit zu vermeiden, sagte sie den Kindern nicht, was auf welchem Brot war. Thomas biss in ein Brot mit Murmeltier-Aufstrich und verzog angewidert den Mund: «Das brennt.»
Thomas war schon immer ein heikler Esser gewesen. Sofort nahm Sven ihm das Brot weg und biss herzhaft hinein. «Schön scharf», erklärte er und mampfte weiter, obwohl es ihm nicht wirklich schmeckte. Aber jede Gelegenheit, gegen seinen großen Bruder aufzutrumpfen, musste genutzt werden. Auch Mark bekam ein Murmeltierbrot. Es schmeckte auch ihm nicht, aber er wollte den Kindern kein schlechtes Beispiel geben und würgte es mit viel Apfelsaft in sich hinein. Tanja gab Thomas ein Brot ohne Murmel-Aufstrich und beschloss, selbst nichts zu essen. Nach dem Essen legte sich Mark neben Tanja auf ein großes Badetuch. Auch die Kinder legten eine Ruhepause auf dem Rasen ein. Nach einigen Minuten stöhnte der kleine Sven plötzlich auf. Er erhob sich und begann zu würgen.
«Mein Gott, was hast du?», rief Tanja erschrocken. Sie sah, dass sich auf seiner Stirn lauter Schweißtropfen bildeten. Sven antwortete nicht. Stattdessen presste er die Hand auf den Magen, stand auf und rannte in Richtung Toiletten davon. Mark war inzwischen aufgesprungen. «Ich
Weitere Kostenlose Bücher