Die Holzhammer-Methode
Doktor gespielt? Oder Metzger? Wahrscheinlich war so was hier auf dem Land völlig normal. Christine schüttelte den Kopf, ließ den Frosch liegen und ging weiter.
Bei Matthias angekommen, hatte sie die Sache schon wieder vergessen. Sie ging in die Küche, um ihre Einkäufe abzustellen. Das prominenteste Möbelstück dort war eine typisch bayerische Eckbank in Eiche rustikal, die in ihrer Vorstellung überhaupt nicht zu dem unkonventionellen buddhistischen Motorradfahrer passte. Christine hasste es eigentlich, in der Küche zu essen. Für sie war die Küche kein Wohnraum, sondern eine Service-Station. Wie eine Tankstelle. Wozu richtete man sich das Wohnzimmer schön ein, wenn man dann in der Küche saß.
«Wie gehen die Leute eigentlich damit um, dass du dich von ihrem Glauben abgewandt hast?», fragte Christine. Sie konnte sich kaum vorstellen, dass das einfach so hingenommen wurde.
«Es bleibt ihnen ja nichts anderes übrig, als es zu akzeptieren. Manche interessieren sich sogar dafür und fragen mich regelrecht aus. Aber die meisten verstehen nicht, dass ich an keinen Gott glaube. Sie denken, der Buddhismus wäre eher so eine zusätzliche Sache zum Katholischen. So wie viele Leute zum Arzt gehen und dann zusätzlich noch Globuli schlucken.»
«Das heißt dann wohl, dass hier der Pfarrer tatsächlich noch die wichtigste Autorität ist?»
«Nein, gar nicht mal. Für viele gehört die Kirche einfach zur Tradition. Man hinterfragt das nicht, aber man lässt sich davon auch nicht einschränken. Wichtig ist die Kirche eher für Feste und Freizeit. Das fängt ja schon in der Kindheit an. Die Kirche veranstaltet Ausflüge, Hobbykurse, alles Mögliche. Wenn du da nicht mitmachst, bist du schnell isoliert. Alle deine Freunde fahren mit, nur du nicht.» In seiner Kindheit hatte Matthias das auch alles mitgemacht, und es war meistens lustig gewesen.
«Aha, Glauben hat Freizeitwert.»
«Klar. Na ja, und für die Erwachsenen sind Wohltätigkeitsbasare, Prozessionen und kirchliche Feiern natürlich eine prima Gelegenheit, ihre Tracht anzuziehen, Leute zu treffen und ein paar Bier zu trinken. Aber wieso auch nicht. Viel schlimmer finde ich diejenigen, die das ganze Jahr über gar nicht zur Kirche gehen, im Geschäftsleben jeden übers Ohr hauen und dann Weihnachten plötzlich total christlich werden.»
«Oder aus der Kirche austreten, um Steuern zu sparen, und dann nur für die Hochzeit noch mal ein Jahr lang eintreten.» Solche Paare hatte Christine im Bekanntenkreis.
«Ja, genau», sagte Matthias. «Aber dann gibt es eben auch Leute, die wirklich tief gläubig sind. Die nicht nur an die Werte der Kirche glauben, sondern auch daran, dass es einen Gott gibt, der diese ganzen Rituale gut findet. Für diese Menschen ist Nächstenliebe kein leerer Spruch, aber sie glauben eben auch tatsächlich daran, dass die Beichte sie von Sünden erlöst.»
«Für die ist dann wohl der Pfarrer wirklich die höchste Instanz in allen Lebensfragen?»
«Oft, aber auch nicht immer. Einmal zum Beispiel hat die gesamte Gemeinde während des Gottesdienstes die Kirche verlassen.»
«Wieso? Was ist denn passiert?»
«Also, da war eine Frau gestorben, die drei Kinder hinterließ. Für die sollte eine Messe gelesen werden. Na ja, und zur gleichen Zeit wie diese Frau war in München irgendein Kardinal gestorben. Und bei der Messe sagt dann der Pfarrer, es sei zwar schlimm, dass die Frau gestorben ist, aber viel schlimmer sei es doch, dass der Kardinal gestorben ist. Da sind die Leute einfach aufgestanden und gegangen.»
«Cool!», sagte Christine. «Wie bei einem schlechten Konzert.» Sie war beeindruckt. Und ihr wurde immer klarer, dass sie fast nichts über diese Welt wusste.
Inzwischen hatten die beiden gegessen und auch schon den Tisch abgeräumt. Sie wechselten von der Küche ins Wohnzimmer.
«Immer noch buddhistischen Tee oder jetzt ein heimisches Bier?», fragte Matthias.
«Ich glaube, ein heimisches Bier könnte jetzt nicht schaden.»
Matthias machte sich daran, zwei Weißbiergläser auszuspülen. Währenddessen erklärte er Christine, dass der richtige Umgang mit dem Weißbier eine Wissenschaft für sich sei. So spülte man die Gläser beispielsweise nicht wegen des Staubs, sondern für den Schaum. Aus dem gleichen Grund durften Weißbiergläser auch niemals in die Spülmaschine oder anderweitig mit Spülmittel in Berührung kommen, weil dann der Schaum nicht hielt. Auf einem Weißbier musste schließlich eine dicke und langlebige
Weitere Kostenlose Bücher