Die Homoeopathie-Luege
wegzuschütten. Die Prozedur ist auf »maximal 10 Tage zu beschränken und sollte nur nach Rücksprache mit einem homöopathisch erfahrenen Therapeuten fortgesetzt werden«.
Es gibt vieles, was einen naturwissenschaftlich geprägten Menschen an diesen Anweisungen erstaunt. Zum Beispiel: So wichtig die Dosierungen der Mittel zu sein scheinen, so wenig spielt offenbar die Substanz selbst eine Rolle. Denn die Empfehlungen gelten gleichermaÃen für alle Mittel, ob es sich nun um das Küchengewürz Kümmel (Carum carvi), das Schwermetall Kobalt (Cobaltum metallicum) oder um das hochallergene Bienengift (Apisinum) handelt.
Eine potemkinsche Welt aus Regeln
Ein besonderes Merkmal der Homöopathie ist, wie die vielen Beispiele zeigen, ihr straffes Regelwerk. Die Bedeutung fester Regeln hatte bereits Hahnemann erkannt, der seine Lehre im Organon (6. Auflage) in 291 Paragrafen festhielt und der alle verdammte, die sich nicht akribisch daran hielten. Und wenn sich der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ãrzte (DZVhÃ) rühmt, mit seiner Gründung 1829 der Ȋlteste deutsche Ãrzteverband« zu sein ( Ãrztliche Homöopathie 2012, Seite 47), dann hatte die Gründung auch den profanen Grund, die Einhaltung der Regeln zu überwachen. So zählte zu den Aufgaben des Vereins von Beginn an, Ãrzte und Apotheker, die sich als Homöopathen bezeichnen, zu prüfen, wie Robert Jütte in seinem Buch Geschichte der Alternativen Medizin schreibt (C.H.Beck, 1996, Seite 207). Ohne den Zentralverein, der der jungen Lehre ein festes Korsett gab, hätte sich die Homöopathie vermutlich alsbald in noch mehr Untergruppen aufgeteilt, als sie es ohnehin schon tat.
In ihrer Abhängigkeit von Statuten, Paragrafen und Regeln, die ihrem Gedankengebäude erst Form geben, unterscheidet sich die Homöopathie grundlegend von der wissenschaftsbasierten Medizin, die von einer einzigen GröÃe zusammengehalten wird: der Evidenz. Es zählt am Ende nur, was belegbar ist. Der Rest ergibt sich dann beinahe von selbst: Verfahren und Medikamente, die keine Wirkung belegen können, haben langfristig keine Chance, wenn sie dagegen nachweislich wirken, können sie nur durch andere Verfahren und Medikamente, die noch besser wirken, verdrängt werden.
So ein allgemein akzeptiertes, auf naturwissenschaftlich-logischen Grundsätzen fuÃendes Prinzip fehlt der Homöopathie. Um sie zusammenzuhalten, braucht es deshalb ein von oben aufgesetztes, autoritäres Regelwerk, dessen Komplexität die Spreu vom Weizen, sprich die Mitläufer von den ernsthaften Anhängern, trennt und die Homöopathie von anderen Lehren abgrenzt. Am Ende zählt nur, was dem Regelwerk entspricht. Die Homöopathie stützt sich zwar auf die Grundsätze Hahnemanns, und die stützen sich auf seine »Erfahrung«, doch die kann, und das ist der springende Punkt, nur in seltenen Ausnahmefälle echte Belege liefern. Wie wenig belastbar die »Erfahrung« ist, auf der Hahnemanns Grundsätze beruhen, erkennt man daran, dass einiges aus seinem Werk heute noch Gültigkeit hat und anderes nicht mehr anerkannt wird â ohne dass es objektivierbare Kriterien dafür gäbe, welche seiner Erfahrungen richtig und welche falsch gewesen sein sollen. Man hat sich halt irgendwann auf eine gemeinsame Linie geeinigt.
Ein zweiter Aspekt, der erklären kann, wozu die Homöopathie so ein ausuferndes Regelwerk braucht, ist die Blendung. Wer eine tolle Fassade bietet, kann vielleicht kaschieren, dass nichts dahintersteckt. Die Homöopathie ist ein potemkinsches Dorf, oder besser: eine potemkinsche Welt. Das mühsame Erfassen der Symptome, die noch mühsamere Suche nach der richtigen Arznei, deren aufwendige Herstellung mit ihren Verreibungen, Prüfungen und Schüttelorgien, die Kurse, in denen all das gelehrt wird, die Zertifikate, die bestätigen, dass diese Kurse absolviert wurden, und die Gesetze, die all dies regeln â das zusammen bildet eine gewaltige, unendlich detaillierte und nach strengen Regeln erbaute Hülle für ein therapeutisches Nichts.
Entzöge man der Homöopathie ihr Regelwerk, würde sie auf das reduziert werden, was sie ist: eine harmlose Glaubenssache, die neben Heilsteinen, Himalajasalz und Horoskopen ihr esoterisches Auskommen hätte. Dass ihr eigenes Regelwerk, das letztlich nur Blendwerk ist, staatlich anerkannt und sogar gefördert
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